CDU-Außenexperte Röttgen „Die Koalition muss jetzt die Reset-Taste drücken“

Düsseldorf · Der Außenexperte der Union, Norbert Röttgen, hat sich schützend vor die britische Premierministerin Theresa May gestellt. Er verlangt im Gespräch mit unserer Redaktion zudem einen Neustart der Regierungskoalition in Deutschland.

 Norbert Röttgen (CDU) ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages.

Norbert Röttgen (CDU) ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages.

Foto: Bernd von Jutrczenka

Hat der Salzburger EU-Gipfel Europa vorangebracht?

Norbert Röttgen Nein, das hat er nicht. Auf der Ebene der 27 Staaten macht das Migrationsthema keine Fortschritte. Als Konsequenz müssen wir zu einem Format der Handlungswilligen und Handlungsfähigen kommen.

Wie soll das funktionieren?

Röttgen Diejenigen, die von dem Problem betroffen sind und es lösen wollen, müssen sich zusammenschließen. Es ist zwar richtig, dass es sich um eine Frage der europäischen Solidarität handelt, aber es bringt nichts, die Osteuropäer mit Zwang oder Strafe mit ins Boot holen zu wollen. Das vertieft nur die Gräben in der EU. Also muss man zu einer pragmatischen Migrationspolitik der betroffenen Staaten wie Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und den nordischen Staaten übergehen.

Theresa May ist mit ihrem Versuch der Rosinenpickerei beim Brexit in Salzburg aufgelaufen. Bringt das die Briten nun auf einen besseren Kurs?

Röttgen Der Vorwurf der Rosinenpickerei ist doch längst überholt. Es war ein Fehler der anderen EU-Staats- und Regierungschefs die britische Premierministerin in Salzburg bis zur Grenze der Erniedrigung zu brüskieren. Der von London vorgelegte Plan kann nicht die Endfassung sein, aber auf dessen Basis sollte verhandelt werden. Darin wird angeboten, was im deutschen und europäischen Interesse ist, zum Beispiel eine Zollunion für Güter. Mir fehlt jedes Verständnis dafür, das als „funktioniert nicht“ zurückzuweisen. Damit stürzt die EU die britische Politik endgültig ins Chaos. Welches Interesse haben wir daran, einen so wichtigen und engen Verbündeten zu verbittern? Diesen Fehler muss die EU korrigieren

Wie stark ist die Kanzlerin in Europa angesichts der Koalitionskrise in Deutschland?

Röttgen Die Bundeskanzlerin ist unübersehbar in Europa und in Afrika sehr präsent. Aber es kann kein Zweifel daran bestehen, dass überall in Europa und darüber hinaus der gegenwärtige Zustand der Bundesregierung mit zunehmender Besorgnis wahrgenommen wird.

Wie kommt die Koalition da raus?

Röttgen Die Lage ist inzwischen zu ernst, als dass wir mit Durchhalteparolen weiter kommen. Der Punkt ist erreicht, wo in der Koalition der Reset-Knopf gedrückt werden muss.

Was heißt das?

Röttgen Wir brauchen einen neuen Anfang in der Koalition. Seit der Regierungsbildung hat sich die Koalition viel zu häufig mit sich selbst beschäftigt. Nach diesen ersten Monaten müssen wir den Mut haben, ehrlich zu sagen: Das war nichts. Man hat den Eindruck, das Bemühen um Gesichtswahrung sei an die Stelle von Politik getreten. Durchhalteparolen helfen jetzt nicht mehr weiter. Die Koalition muss die Reset-Taste drücken und noch einmal neu beginnen. Die Stimmen in Europa werden lauter, die fragen, wo Deutschland bleibt angesichts der wirklich großen Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wir sollten jetzt drei oder vier Probleme benennen, die es zu lösen gilt, und uns selbst eine Frist setzen, in der es dann konkrete Ergebnisse geben muss.

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