Lammert kontert Erdogan Die Saat des Hasses darf nicht aufgehen

Meinung | Berlin · Mit ungewöhnlichen deutlichen Worten hat Bundestagspräsident Lammert gegen den türkischen Staatspräsidenten Position bezogen. Diese Reaktion ist angemessen. Deutschland muss aber aufpassen und darf nicht in Erdogans Falle laufen.

 Erdogan verschärfte in den vergangenen Tagen den Ton gegenüber Deutschland.

Erdogan verschärfte in den vergangenen Tagen den Ton gegenüber Deutschland.

Foto: dpa, tb jak jai

Die Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und Deutschland um die Armenienresolution haben ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Sie beschädigen nicht nur die deutsch-türkischen Beziehungen. Sie drohen auch das Verhältnis der Türkischstämmigen und der Einheimischen hierzulande massiv zu beeinträchtigen.

Dass die Abgeordneten im Bundestag, allen voran Bundestagspräsident Norbert Lammert, erhobenen Hauptes die Armenien-Resolution verteidigen, muss zum demokratischen Selbstverständnis gehören. Der türkische Präsident Erdogan verletzt aufs Gröbste die Umgangsformen unter Demokraten, wenn er Bluttests von deutsch-türkischen Abgeordneten fordert oder sie in die Nähe von PKK-Anhängern rückt. Dem kann man nur entgegentreten, indem man auf einen groben Klotz auch einen groben Keil setzt.

Insofern war Lammerts scharfe Reaktion im Bundestag angemessen. Wenn die Attacken der Türkei gegen die demokratischen Vertreter in Deutschland nicht aufhören, wird sich auch die Kanzlerin deutlicher einmischen müssen, als sie es bisher getan hat.

Wir sollten aber auch nicht in Erdogans Falle tappen und die von ihm in unserer Gesellschaft gestreute Saat des Hasses zwischen Türken und Deutschen sowie unter türkischen Landsleuten aufgehen lassen. Die Ausladung von Grünen-Chef Cem Özdemir vom Fastenbrechen durch den türkisch-islamischen Dachverband Ditib ist da das falsche Signal. Wenn man bei einer Fußball-EM für Sicherheit sorgen kann, dann muss das auch in einer Berliner Moschee funktionieren.

Das ist eine Frage des guten Willens. Die Armenienresolution war richtig. Es gibt aber keinen Anlass zur moralischen Arroganz gegenüber den Türken. Die Deutschen haben sich freilich intensiver und schonungsloser mit ihrer Vergangenheit befasst, als es die Türken bisher getan haben - allerdings auch, weil sie es mussten. Zudem ist der Umgang Deutschlands mit seinem brutalen Vorgehen gegen die Herero und Nama in Namibia zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts noch ungeklärt.

Im Sinne der UN-Konvention von 1948 fallen diese Verbrechen ebenso unter die Rubrik Völkermord wie das Vorgehen der Türken gegen die Armenier. Zwischen Deutschland und Namibia ist dazu ein Dialog im Gang, der wahrscheinlich mit der Anerkennung des Völkermords durch die Deutschen enden wird. Diese Erkenntnis kommt aber eben auch sehr spät.

(qua)
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