Der Baron gibt auf Neun Gründe trieben Guttenberg zum Rücktritt

Düsseldorf (RPO). Karl-Theodor zu Guttenberg schmeißt hin. Das Projekt Ehrenrettung geriet für den gefallenen Superstar der Union zur "Mission impossible". Der öffentliche Druck auf den Minister wurde stattdessen unerträglich. Der Baron hatte zuletzt mit zu vielen Katastrophen zu kämpfen. Eine Spurensuche führt zu neun Faktoren.

Pressestimmen zum Guttenberg-Rücktritt
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Foto: dapd

Karl-Theodor zu Guttenberg ist an diesem Dienstag von seinen politischen Ämtern zurückgetreten. Er stürzte über die Plagiats-Affäre. Im Verlauf der vergangenen zwei Wochen hatte sich mit wachsender Deutlichkeit gezeigt, dass der CSU-Politiker bei seiner Doktorarbeit auf dreiste Art und Weise abgeschrieben hatte. Anfangs belächelte Guttenberg die Angelegenheit noch, schließlich ging es nur um Fußnoten aus dem akademischen Betrieb. Damit aber brachte er seine Gegner erst gegen sich auf.

Am Dienstagvormittag erklärte der Mann, der die Republik so sehr polarisiert:

"Ich habe in einem sehr freundschaftlichen Gespräch die Frau Bundeskanzlerin informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern zurückziehen werde und um meine Entlassung gebeten. Das ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens."

Am Ende waren es neun Ursachen verschiedenster Natur, die miteinander zusammengenommen seinen Rücktritt zur Folge hatten. Ein Überblick.

1. Aufstand der Wissenschaft Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik brachte die Wissenschaft einen Bundesminister zu Fall. Sie entwickelte sich in den vergangenen Tagen zu seinem schärfsten Kritiker. Mit zunehmender Frequenz warf sie dem Verteidigungsminister Betrug, Hochstapelei oder Blendertum vor. Der Superstar der Union brachte plötzlich die Union in Verruf.

2. Revolte im Internet Nach dem Bekanntwerden der ersten Schummel-Zitate machten sich Internet-User im Schwarm auf die Suche nach weiteren Stellen. Mit der Dynamik des Schneeballprinzips identifizierten die akademischen Fahnder immer schneller immer mehr Passagen. Aus überschaubaren sieben abgeschrieben Zitaten in Guttenbergs Dissertation mit mehr als 400 Seiten wurden innerhalb weniger Tage 70 Prozent. Die Professoren in der Prüfungskommission mussten nur noch nachprüfen. Der Beschluss, dem Summa-cum-Laude-Absolventen den Doktortitel zu entziehen, fiel schneller als erwartet.

3. Die eigene Glaubwürdigkeit: Guttenberg war es, der Begriffe wie Anstand, Geradlinigkeit, Glaubwürdigkeit und Würde zurück in die Politik brachte — und damit Popularitätswerte erzielte wie ein geliebter Kaiser. Exakt bei diesen Tugenden aber schummelte der Minister bei seiner Doktorarbeit. Seine Glaubwürdigkeit war nachhaltig beschädigt.

4. Auch Merkel geriet ins Schlingern Die Kanzlerin hat sich früh und eindeutig vor Guttenberg gestellt. Mit ihren Äußerungen, den 39-jährigen Baron als Minister und nicht als wissenschaftlichen Assistenten eingestellt zu haben, brachte sie die gesamte Wissenschaft und selbst konservative Medien gegen sich auf. Der Vorwurf: Sie opfere Prinzipien auf dem Altar der Macht, weil sie Guttenberg als Zugpferd für die Landtagswahlen im März brauche. Auch Guttenberg wird gespürt haben: Jeder weitere Vorwurf gegen ihn wäre auch ein Vorwurf gegen die Kanzlerin.

5. Krisenmanagement Guttenberg hat unbesonnen gehandelt, dabei aber Entschiedenheit demonstriert. Die Folgen: fatal. Anfangs sprach er von "abstrusen Vorwürfen", nur wenige Tage später räumte er gravierende Versäumnisse ein. Fortan war es vor allem das "scheibchenartige" Zurückrudern das ihm seine Kritiker bis zu seinem Rücktritt zur Last legten. So unbeirrbar und aufrichtig sich Guttenberg in seinen Erklärungen gab, so tiefer gestaltet sich der Absturz, wenn erst einmal der Zweifel an der Glaubwürdigkeit gesät ist. Nun drängte sich vielmehr der Eindruck auf, dass da einer, der schon mit seiner Doktorarbeit überfordert war, auch an politischen Herausforderungen scheiterte. Genüsslich verwiesen Oppositionspolitiker immer wieder auf die Sprunghaftigkeit des Ministers - beispielsweise seine revidierte Bewertung des Luftangriffs von Kundus, sein Vorgehen in der "Gorch Fock"-Affäre sowie seine Haltung in der Diskussion um die Finanzierung der Bundeswehr.

6. Ärger im eigenen Ressort Auch in seinem eigentlichen Amt verstrickte sich Guttenberg immer mehr in Probleme. Am Wochenende wurde aus dem Kanzleramt bekannt, dass Guttenberg dort offenbar nicht allzuviel in Sachen Wehrreform vorweisen konnte. Das Kanzleramt sei vielmehr auf Distanz gegangen, berichtete der "Spiegel" über "Vermerke" aus der Regierungszentrale. Demnach waren Guttenbergs Vorschläge nicht mehr als eine "sehr rudimentäre - unvollkommene - und unausgewogene Grundlage für Entscheidungen zur Reform der Bundeswehr". Auch das wird Guttenbergs Freude am Amt nicht eben vertieft haben.

7. Distanz in der eigenen Partei CSU-Chef Horst Seehofer brachte es wenige Tage zuvor auf den Punkt: "Ein Minister stürzt nur, wenn es die eigene Partei will." Was anfangs wie eine Solidaritätsadresse klang, mutet im Rückblick an wie eine düstere Drohung. Einen Tag vor seinem Rücktrittsgesuch gab die Union ein zerrissenes Bild ab. Wissenschaftsministerin Annette Schavan schämte sich für den Noch-Verteidigungsminister, Bundestagspräsident Norbert Lammert sah durch Guttenbergs Verfehlungen das Vertrauen in die Demokratie gefährdet. Spätestens am Montag muss Guttenberg mit Seehofers Worten im Hinterkopf klar geworden sein, dass es eng für ihn wird.

8. Verwicklungen mit der Bild-Zeitung Minister Guttenberg pflegte stets das Spiel mit den Medien. Vor allem zur Bild-Zeitung pflegte er enge Beziehungen. Die auflagenstärkste überregionale Zeitung Deutschlands hat ihn groß gemacht und stets unterstützt. In den vergangenen Wochen entwickelte die Beziehungen zwischen Minister und Boulevard zunehmend ein Geschmäckle. Erst entstand nach der spontanen Abberufung des Gorch-Fock-Kapitäns Norbert Schatz der Eindruck, der Minister fälle Entscheidungen auf Zuruf der Bild, Anfang der Woche wurde nun bekannt, dass die Bundeswehr zur Anwerbung von Rekruten vor allem in Medien des Springer-Verlags wie "Bild" und "Bild am Sonntag" Anzeigen schaltet. Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, sprach daraufhin von einem "ganz miesen Deal," die SPD sprach von "Kumpanei". Die nächste Affäre befand sich damit schon in der Warteschleife.

9. Staatsanwalt vor der Tür Wie Welt Online berichtet gab es offenbart noch einen weiteren Grund für Guttenberg zurückzutreten. Demnach geht der Minister davon aus, dass gegen ihn in Kürze staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet werden. "Das ist lange klar, das war nicht der Grund für seinen Rücktritt", heißt es angeblich in Berliner Regierungskreisen. Bereits in der vergangenen Woche soll es intensiven Kontakt zwischen dem Verteidigungsminister und den Staatsanwälten gegeben haben. Ergebnis: an strafrechtlichen Ermittlungen gehe kein Weg mehr vorbei. Dann, so viel scheint sicher, wäre Guttenberg endgültig nicht mehr an einem Rücktritt vorbei gekommen.

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