Neubau des BND wird eröffnet Schluss mit dem Schlapphut-Klischee

Berlin · Der Auslandsnachrichtendienst BND kommt aus dem Verborgenen und macht sich mitten in Berlin in einer neuen Zentrale sichtbar.

 Ein Blick ins Innere der neuen BND-Zentrale in Berlin.

Ein Blick ins Innere der neuen BND-Zentrale in Berlin.

Foto: dpa, tba

Sieben Stockwerke hoch gruppieren sich Hunderte Büros in einem langen Rechteck um den lichtbeschienenen Innenhof. Alles strahlt in fast unwirklich hellem Weiß. Die Abstände zwischen den Büros, die Öffnungen, die Geländer – alles gleich. Wenn jetzt sämtliche Türen zur selben Zeit aufgingen, und aus jeder käme ein Mann im dunklen Anzug mit schwarzer Sonnenbrille, und alle hörten auf den Namen „Agent Smith“ – wir wüssten, dass die Warner-Studios die perfekte Kulisse für eine „Matrix“-Neuverfilmung gefunden hätten. Doch zur Eröffnung an diesem Freitag wird nicht Keanu Reeves erwartet. Sondern die Kanzlerin.

Angela Merkel unterstehen die fast 4000 Mitarbeiter, die hier nach einem seit über einem Jahr sorgfältig getakteten Umzugsplan mit 100.000 Kartons im Gepäck eingezogen sind. Für sie ist es nicht nur der Wechsel an einen anderen Ort, sondern auch der Wandel hin zu einem neuen Selbstverständnis. In Pullach waren sie verborgen im Wald, in vielen anderen Städten arbeiteten sie unter Tarnadressen. Hier treten sie fast monumental mitten in der Stadt auf und schreiben draußen dran, was drinnen zu finden ist: „Bundesnachrichtendienst“.

Die offizielle Eröffnung beendet eines der größten Bauvorhaben des Bundes. Und auch dieses war von Pannen, Pech, Verspätungen und Verteuerungen geprägt. In der Ursprungsidee sollte der BND um 2008 herum in Berlin konzentriert werden. Als dann an einem heißen Maitag des Jahres 2008 endlich der Grundstein gelegt wurde, war der Umzug für 2012 geplant. 720 Millionen Euro standen im Bau-Budget. Jetzt ist es später und teurer geworden. „Weniger als 1,1 Milliarden“, sagt BND-Präsident Bruno Kahl. Zuzüglich 400 Millionen für Ausstattung und Umzug. Damit sei das Projekt „im Rahmen“ geblieben.

Zwischenzeitlich geriet es jedoch auch zur Lachnummer. Bauzäune, Beleuchtung, Kameras. Das sollte den Beweis liefern für „Deutschlands bestgesicherte Baustelle“. Klar, die spätere Zentrale der Spione sollte nicht schon in der Bauphase verwanzt werden können. Deshalb wurde das Areal mit Millionenaufwand überwacht. Und trotzdem gelang es Eindringlingen im März 2015, Wasserhähne zu entwenden und Teile des Baus zu fluten, Millionenschäden in Schächten und Lüftungssystemen anzurichten. Auch dass Baupläne verschwanden, skeptisch. Immer wieder versicherte der BND, dass er selbst noch nicht zuständig sei, sondern das Projekt dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung unterstehe. Den Spott bekamen freilich die Schlapphüte ab.

Heute hätten es Einbrecher nicht mehr so leicht. Denn die in etliche Gebäuderiegel unterteilte BND-Zentrale ist nicht nur nach außen von einem stabilen Zaun umgeben, sondern auch im Innern unterteilt. Die Mitarbeiter können sich in ihren jeweiligen Abteilungen frei bewegen und auch in „Kommunikationszonen“ bei einem Kaffee Kontakt zu anderen Abteilungen aufnehmen. Doch Zugang zu anderen Bereichen haben sie mit ihren Chipkarten nicht. Gleichwohl ist es vom Prinzip her eine Zentrale der kurzen Wege, weil im Sockel, den Architekt Jan Kleihues in eine Wanne unterhalb des Straßenniveaus gelegt hat, alles mit allem zusammenhängt. Kahl braucht von seinem Büro in der siebten Etage nur ein paar Schritte zum Lift und ist kurz darauf in einem der beiden fensterlosen Krisenzentren im Keller.

Das Sicherheitskonzept sorgt zudem für Tausende von Fächern im Eingangsbereich: Hier haben die Mitarbeiter und alle Besucher ihre Handys zu lassen, damit von dem, was drinnen geheim besprochen, analysiert und geplant wird, nichts nach draußen geht. Deshalb haben Mitarbeiter auch zwei Rechner. Einen für die abgeschlossene Binnenkommunikation, einen für den Kontakt mit der Außenwelt.

Wenn der BND die Größe seines Grundstücks in Berlin-Mitte, wenige Hundert Meter vom Bezirk Wedding entfernt, mit zehn Hektar angibt und die Bruttogrundfläche mit „36 Fußballfeldern“ vergleicht, dann ist das reine Theorie. Praktisch hat sich der früher auf die Aufklärung der DDR spezialisierte Nachrichtendienst auf ein Aushängeschild der DDR gesetzt. Hier, zwischen Chausseestraße und Panke, stand das Walter-Ulbricht-Stadion, das spätere „Stadion der Jugend“, wo vor bis zu 70.000 Zuschauern so manches sozialistische Spektakel auch nichtsportlicher Natur aufgezogen wurde. Nach den vielen schmachvollen Momenten in der BND-Geschichte, in denen Überläufer in Ostberlin wichtigste Interna preisgaben und klar wurde, dass die Stasi beste Quellen in den BND-Abteilungen hatte, ist die neue Zentrale auf dem Boden des gescheiterten und beendeten Sozialismus so etwas wie ein spätes Urteil der Geschichte.

Das Modell bei der Grundsteinlegung wirkte noch klein und farblich freundlich. Die Wirklichkeit ist elf Jahre später deutlich größer und nüchterner. Dafür sorgt die Aluminiumfassade mit 14.000 Fenstern von 75 Zentimeter Breite, die je nach Sonnenstand das Ganze mal „natogrün“, mal „champagnergold“ (so Architekt Kleihues) wirken lassen. Und es unterstreicht das, was Kahl in den Mittelpunkt stellt: den Dienstleistungscharakter gegenüber Regierung und Parlament. Nicht mehr das schillernde Geheimdienstgehabe. Originelle Spuren finden sich nur noch in kleinen Resten. In der südlichen Parkgarage auf dem Stellplatz mit der Nummer 007 etwa. Und bei der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit mit genau dieser Durchwahl am Ende.

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