Konfrontation zwischen Betreiber und Ministerium Neuer Ärger in der Atomkraft-Debatte

Berlin · Der Betreiber des Atomkraftwerks Isar 2 sucht die Öffentlichkeit, um vor dem geplanten Reservebetrieb der Anlage zu warnen. Das ist eine klare Konfrontation mit Wirtschaftsminister Habeck. Der reagiert mit einer saftigen Replik - und der Streit auf offener Bühne ist wieder einmal perfekt.

ARCHIV - 21.07.2022, Bayern, Essenbach: Wasserdampf steigt aus dem Kühltum vom Atomkraftwerk (AKW) Isar 2. (zu "Spahn regt AKW-Weiterbetrieb bis Ende des Gasmangels an") Foto: Armin Weigel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 21.07.2022, Bayern, Essenbach: Wasserdampf steigt aus dem Kühltum vom Atomkraftwerk (AKW) Isar 2. (zu "Spahn regt AKW-Weiterbetrieb bis Ende des Gasmangels an") Foto: Armin Weigel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Armin Weigel

Kaum ein Thema in der aktuellen Energiekrise ist emotional so aufgeladen wie der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Opposition gegen Regierung, ein Koalitionspartner gegen den anderen – die Konfliktlinien laufen kreuz und quer. Nun hat ein Brandbrief des Betreibers des Kraftwerks Isar 2 in Bayern an das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) die Debatte weiter angeheizt. Darin warnt Preussen Elektra, eine Tochter des Energiekonzerns Eon, vor einem Reservebetrieb der Anlage. Der Betreiber verweigert sich damit den Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der eine solche AKW-Reserve für den Notfall vorsieht. Kurz nach Bekanntwerden des Briefes wies Habeck die Kritik zurück, zeigte sich „verwundert“.

Der auf vergangenen Dienstag datierte Brief von Preussen-Elektra-Chef Guido Knopp war an BMWK-Staatssekretär Patrick Graichen adressiert. Darin heißt es: „Zwei der drei laufenden Anlagen zum Jahreswechsel in die Kaltreserve zu schicken, um sie bei Bedarf hochzufahren, ist technisch nicht machbar und daher ungeeignet, um den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern.“

Am Montag dieser Woche hatte Habeck seine Pläne für eine „Einsatzreserve“ vorgestellt. Demnach sollen zwei der drei noch laufenden Meiler – Isar 2 in Bayern und das von EnBW betriebene Kraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg – für den Notfall bereitgehalten werden. Bislang war vorgesehen, dass alle drei noch aktiven Atomkraftwerke Ende des Jahres vom Netz gehen. Hintergrund dieser Planänderung ist der jüngste Stresstest der deutschen Stromnetze, den die Übertragungsnetzbetreiber durchgeführt hatten. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Meiler im Ernstfall einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können.

Im seinem Brandbrief schreibt Preussen-Elektra-Chef Knopp, man habe das Ministerium bereits am 25. August davon unterrichtet, dass im Streckbetrieb „ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht mehr möglich ist“. Das gelte umso mehr, wenn die Anlage komplett heruntergefahren werden solle, wie Habecks Plan es vorsehe. „Dann nämlich ist mit den eingeschränkten Möglichkeiten eines solchen Reaktorkerns ein Wiederanfahren im fortgeschrittenen Streckbetrieb nicht und schon gar nicht kurzfristig innerhalb einer Woche machbar“, heißt es weiter in dem Schreiben.

Anders als Preussen Elektra hält sich der Neckarwestheim-Betreiber EnBW mit öffentlicher Kritik zurück. „Wir sind aktuell im Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium zur Klärung der konkreten Details und unserer Fragen“, zitiert der „Spiegel“ eine Konzernsprecherin. Erst danach könne man die technische und organisatorische Machbarkeit bewerten.

Habeck wies in seiner Replik auf den Brandbrief von Preussen Elektra gleich mehrere Annahmen des Betreibers zurück. Zum einen gehe es „bei der Einsatzreserve nicht darum, die Atomkraftwerke hoch und runter zu fahren“, so Habeck. Ausgehend von der Versorgungssituation und entlang der Stresstestszenarien solle einmal entschieden werden, „ob man die Kraftwerke braucht oder nicht“.

Zum zweiten wirft Habeck dem Betreiber Widersprüche in dessen Argumentation vor. Preussen Elektra habe an dem besagten 25. August in einem Brief gesagt, für einen Streckbetrieb des Kraftwerks brauche es einen kurzfristigen Betriebsstillstand. „Genau das ginge aber – so sagen sie es heute – nicht bei einer Einsatzreserve. Das ist technisch nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, deswegen werden wir diese Gespräche jetzt nochmal führen, was denn eigentlich gilt“, sagte der Minister.

Habecks dritter Einwand bezieht sich auf die Revision, also die jährliche Sicherheitsüberprüfung des Kraftwerks. Auch hier gingen der Betreiber und das Ministerium offenbar von unterschiedlichen Annahmen aus. Habeck kündigte an, dass es weitere Diskussionen mit den Betreibern geben werde – „hoffentlich auch ohne die Öffentlichkeit“, so der Minister.

Unterdessen geht der politische Streit unvermindert weiter. So warf die Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann (CDU), Habeck vor, Realität und Notwendigkeiten zu ignorieren. „Energieexperten mahnen seit Monaten, das Potenzial der AKW zu nutzen. Aktuell warnen die Netzbetreiber nach dem Stresstest davor, nicht alle Möglichkeiten, namentlich Kernenergie, zur Stromerzeugung einzusetzen“, sagte Connemann unserer Redaktion. Habeck schlage den Expertenrat in den Wind. Die CDU-Politikerin plädiert für den Streckbetrieb aller drei aktiven Kernkraftwerke und das Hochfahren der drei stillgelegten AKW.

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