Neueste Erhebung Die Deutschen scheuen das Heim

Exklusiv | Berlin · Eine große Mehrheit hofft inständig, nie in ein Pflegeheim zu müssen, weil man mit einer miserablen Versorgung rechnet. So das Ergebnis einer Umfrage des Arbeitgeberverbandes. Erneut fordert man einen Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz, um Druck auf die Politik zu machen.

 Die Deutschen glauben nicht, dass sich die Lage in der Pflege verbessern wird. Das ist ein Ergebnis einer Umfrage des Arbeitgeberverbandes Pflege.

Die Deutschen glauben nicht, dass sich die Lage in der Pflege verbessern wird. Das ist ein Ergebnis einer Umfrage des Arbeitgeberverbandes Pflege.

Foto: Tom Weller

Schon die kürzlich vom Statistischen Bundesamt vorgelegte Vorausberechnung lässt nichts Gutes erahnen: So wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland allein durch die zunehmende Alterung bis 2055 von rund fünf Millionen auf etwa 6,8 Millionen im Jahr 2055 ansteigen. Dazu passt, dass die Bundesbürger laut einer neuen Umfrage ziemlich düster in die eigene Zukunft blicken – die Deutschen schieben Pflegefrust.

72 Prozent hoffen, dass sie nie in ein Pflegeheim müssen, weil sie glauben, dass sich die Versorgungslage stetig verschlechtern wird. Das ist ein Ergebnis der vom Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) in Auftrag gegebenen repräsentativen Erhebung, die unserer Redaktion vorliegt. Befragt wurden im August von Forsa über 1000 Bürger ab 18 Jahren.

Demnach befürchten acht von zehn der Befragten (80 Prozent), dass es eine solide Pflege in Zukunft nicht mehr geben wird, falls die Probleme nicht angepackt werden. Nur drei Prozent sind zuversichtlich, dass die Menschen in der Zukunft gut versorgt werden. Auch ist laut Erhebung die Pflegekrise längst in der Fläche angekommen. So gaben 24 Prozent an, dass sie bei einer Heimplatzsuche vier bis neun Pflegeheime angefragt hätten, bis ein Platz gefunden worden sei. Fast jeder Zehnte musste sogar mindestens zehn Heime kontaktieren, um einen Angehörigen unterbringen zu können.

Hauptgründe für die Versorgung im Pflegeheim sind demnach, dass eine Betreuung zu Hause aus beruflichen oder privaten Gründen nicht möglich gewesen ist, wie 62 Prozent der Befragten erklärten. Für mehr als die Hälfte waren die physischen, psychischen oder zeitlichen Belastungen zu hoch, 36 Prozent nannte die kompetente und professionelle Pflege durch geschultes Personal als Grund. AGVP-Präsident Thomas Greiner sagte unserer Redaktion: „Natürlich möchten die Menschen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben, das ist doch klar.“ Aber wenn es nicht anders gehe, bleibe nur die Versorgung im Heim. „Und die ist akut gefährdet, weil die Regierung die Heime im Stich lässt und ihnen bürokratische Knüppel zwischen die Beine wirft.“

Die Pflege in Deutschland leidet massiv unter Personalmangel und Kostendruck. Ende Juni konnte die Ampel nach einigem Streit ihre Pflegereform auf den Weg bringen. Neben einer bereits erfolgten Beitragserhöhung sind ab 2024 unter anderem Entlastungen für Pflegebedürftige und für pflegende Angehörige vorgesehen. Aus Sicht des AGVP-Präsidenten unternimmt die Ampel jedoch zu wenig gegen den Notstand. Während die Menschen sich den harten Realitäten in diesem Bereich stellten, „haben die pflegepolitischen Traumtänzer der Bundesregierung immer noch nicht verstanden, wie ernst die Lage ist“, griff Greiner die Ampel scharf an. Es gebe eine Kostenexplosion bei den Eigenbeiträgen, ein Heimsterben und eine Insolvenzwelle – die Koalition schaue nach wie vor nur zu.

Der Präsident wiederholte die Forderung des Verbandes nach einem Rechtsanspruch auf einen Pflegeheimplatz, um Druck auf die Politik auszuüben. „Was beim Recht auf Kita richtig ist, kann beim Recht auf Pflege ja nicht falsch sein“, sagte Greinert. Laut Umfrage unterstützen 63 Prozent der Befragten den Vorschlag. Für die aktuelle Versorgungslage in der Altenpflege gab es übrigens schlechte Noten: 70 Prozent bewerten sie als ausreichend, mangelhaft oder ungenügend, als gut lediglich drei Prozent - und als sehr gut niemand.

(has)
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