Zank um Inhalte geht weiter Neue Streitrunde zu Hartz IV eröffnet

Berlin (RPO). Der zweite Vermittlungsanlauf in der Hartz-IV-Debatte droht, in einen neuen Streit um Inhalte und Zuständigkeiten auszuarten. Bei der CDU deutete sich am Montag vorsichtige Gesprächsbereitschaft über eine Regelsatzerhöhung an, aus der FDP kam ein klares Nein zu einem Plus von mehr als fünf Euro. Die Grünen beharrten auf einer Verbesserung beim Hartz-Regelsatz.

Hartz IV - Eine Chronologie
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Foto: dapd

Zugleich regte sich in der Unions-Fraktion Unmut über das Eingreifen der Ministerpräsidenten. Noch bevor neuen Verhandlungen richtig begonnen haben, stehen die Chancen auf eine zügige Einigung damit schlecht.

In einer ersten siebenwöchigen Verhandlungsrunde der Vermittler von Bundestag und Bundesrat hatten sich Koalition und Opposition nicht auf eine Neuregelung verständigen können. Zur Debatte steht ein Gesetz, das unter anderem fünf Euro mehr Hartz IV und ein Bildungspaket für arme Kinder vorsieht. Die Länder hatten am vergangenen Freitag ein neues Vermittlungsverfahren angestoßen, um einen Kompromiss zu finden.

Vorgespräche hinter verschlossenen Türen

Derzeit laufen nichtöffentliche Vorgespräche in informellen, kleinen Runden, wie ein Sprecher des Bundessozialministeriums sagte. SPD und Grüne stimmten sich am Montag auf der Ebene der Partei- und Fraktionschefs über das weitere Vorgehen ab, wie die Nachrichtenagentur dapd aus Verhandlungskreisen erfuhr. In den kommenden Tagen soll es weitere "Sondierungsgespräche" geben.

In welcher Besetzung die neuen Verhandlungen laufen sollen, ist aber noch unklar. Die Ministerpräsidenten, allen voran der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD), hatten sich zuletzt in den Hartz-Streit eingeschaltet und die zweite Vermittlungsrunde eingeläutet. Beck will die Verhandlungsführung nun "auf der Ebene der Ministerpräsidenten" halten, um einen zügige Einigung zu finden, wie er am Wochenende ankündigte.

Unions-Fraktion warnt Länder vor Alleingängen

In der Unions-Fraktion sorgt das für Unmut. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) und der CSU-Landesgruppenvorsitzende Hans-Peter Friedrich warnten die Länder davor, Verhandlungen über die Reform ohne Beteiligung der Bundestagsfraktion zu führen. "Das könnte gründlich schief gehen", erklärten die beiden am Rande gemeinsamer Beratungen mit der UMP-Fraktion in Paris. Friedrich kritisierte, bislang habe Beck in der Hartz-Debatte geschwiegen. "Jetzt versucht er, das Thema Hartz IV lauthals für seinen Wahlkampf zu instrumentalisieren. Das werden wir ihm so nicht durchgehen lassen."

Unstimmigkeiten gibt es aber auch innerhalb der Koalition. Die CDU deutete vorsichtige Kompromissbereitschaft über die Erhöhung des Regelsatzes an. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte zwar, es dürfe an dieser Stelle kein "Geschachere oder willkürliche Festlegungen" geben. Er halte aber nichts davon, vor Gesprächen "Tabus aufzurichten".

Koalition streitet über Regelsatz

Die FDP ist bei diesem Punkt nicht gesprächsbereit. Der vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Rahmen lasse der Regierung "keinen Handlungsspielraum", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Es gehe nicht darum, einen "parteipolitischen Skalp zu gewinnen", sondern die Regelsatzerhöhung um fünf Euro möglichst schnell an die Betroffenen auszuzahlen. Dies sei auch rechtlich möglich, wenn es nicht zu einer raschen Einigung komme.

Die CDU wies das Ansinnen zurück und forderte den Regierungspartner zu Kompromissbereitschaft bei den Mindestlöhnen auf. Die stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion, Ingrid Fischbach (CDU), sagte, ohne gesetzliche Regelung sei eine Auszahlung des höheren Regelsatzes nicht möglich. Zugleich sagte sie, bei den Verhandlungen müsse auch über Mindestlöhne und gleiche Bezahlung von Leiharbeitern und Festangestellten gesprochen werden. "Da muss sich die FDP bewegen."

Die Grünen bestehen darauf, bei den neuen Verhandlungen über alle strittigen Punkte zu reden - über das Bildungspaket, Mindestlöhne und vor allem über den Hartz-Regelsatz. Auf den letzten Punkt komme es mehr an als auf alles andere, sagte Grünen-Verhandlungsführer Fritz Kuhn, "ohne eine Verbesserung beim Regelsatz geht es nicht."

Ungeachtet des anhaltenden Ringens um höhere Regelsätze bekommen einige Tausend Hartz-IV-Empfänger im Norden der Republik monatlich bereits jetzt fünf Euro mehr. Der Kreis Nordfriesland zahlt seit Jahresbeginn seinen 6900 Hilfeempfängern den erhöhten Betrag aus, wie ein Sprecher am Montag in Husum sagte. Da eine Hartz-IV-Erhöhung um mindestens fünf Euro ausgemacht scheine, sei eine sofortige Auszahlung nur bürgerfreundlich. So beuge der Landkreis zugleich Widerspruchsverfahren vor, deren Bearbeitung vor allem zusätzliche Personalkosten in der Verwaltung sowie womöglich Gerichtskosten verursachen würde - zu Lasten der Steuerzahler.

Das Vorgehen Nordfrieslands, das Langzeitsarbeitslose als sogenannte Optionskommune in Eigenregie betreut, sei nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) rechtlich möglich. Der Landkreis halte es sogar für geboten, sagte der Sprecher. Insofern sei es "erstaunlich", dass die betreffende Vorschrift nicht allgemein Anwendung gefunden habe. So heißt es im Dritten Buch des SGB, über die Erbringung von Geldleistungen könne vorläufig entschieden werden, wenn der Sachverhalt Gegenstand eines höchstrichterlichen Verfahrens sei. Der Landkreis verweist darauf, dass es in puncto Hartz-IV-Regelsätze nicht nur ein Verfahren, sondern sogar bereits eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt.

(apd/Afp)
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