Wehrbeauftragter fordert langfristige Betreuung Neu für Deutschland: Veteranen

Berlin · Wie soll das Land mit Soldaten umgehen, die im Auslandseinsatz ihr Leben riskierten? Der Verteidigungsminister kündigt eine aktive Veteranenpolitik mit Ehrenzeichen und Gedenktag an, der Wehrbeauftragte fordert eine langfristige Betreuung für Gefährdete.

Zehn Jahre deutscher Afghanistan-Einsatz in Zahlen
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Foto: dapd, Musadeq Sadeq

Jeder Verteidigungsminister gewöhnt die Deutschen an neue Begriffe: Von "Gefallenen" sprach Franz-Josef Jung. Das Wort "Krieg" nahm Karl-Theodor zu Guttenberg in Afghanistan in den Mund, und nun hat auch Thomas de Maizière ein neues Aufgabenfeld entdeckt: Er will sich stärker um die "Veteranen" kümmern. Dem Verteidigungsausschuss lag am Mittwoch ein internes Strategiepapier des Ministers vor, in dem er klar ankündigt: "Es ist an der Zeit, sachlich und offen über eine Veteranenpolitik zu diskutieren."

Das sei "neu, aber nur für Deutschland", hält de Maizière weiter fest. Tatsächlich kümmern sich die Amerikaner, die Briten und die Franzosen seit Langem intensiv um die Nachsorge und Versorgung derjenigen, die in Uniform für ihr Land den Kopf hinhielten. In Deutschland dagegen war der Begriff "Veteran" lange Zeit mit der Vorstellung ergrauter alter Männer verbunden. Und mit dem Eindruck: "Opa erzählt vom Krieg."

Mehr als 100 Tote

De Maizière rechnet indes vor, dass inzwischen bereits mehr als 300.000 Mal der Auftrag zum Dienst im Auslandseinsatz erfolgte. Seit 1991 hätten über 100 Angehörige der Bundeswehr bei diesen Einsätzen ihr Leben gelassen. Freilich tut sich der Minister noch schwer damit, überhaupt zu definieren, wer künftig als Veteran gelten soll. Nach der Praxis in Dänemark und Norwegen ist Veteran, wer an einem Auslandseinsatz teilgenommen hat.

Briten und Amerikaner sehen jeden Ex-Soldaten als Veteran. Mehr Klarheit will der Minister nun in internen Anhörungen gesellschaftlicher Gruppen gewinnen. Ein Stimmungsbild liefert der Bund Deutscher Veteranen (BDV), der unter seinen Mitgliedern und Interessenten eine Online-Umfrage startete. Danach sind 15,5 Prozent der Meinung, jeder Soldat sei Veteran, 13,2 Prozent glauben, dass das nur diejenigen mit Gefechtserfahrung sind, und 66,6 Prozent ziehen den Auslandseinsatz von Soldaten als Merkmal vor.

De Maizière denkt an ein besonderes Veteranenabzeichen, das wie bei den Verbündeten an Uniform oder zivilem Anzug getragen werden könne. Ausdrücklich lobt der Minister das Symbol der gelben Schleife, mit dem viele schon jetzt ihre Verbundenheit mit den Männern und Frauen im Einsatz dokumentieren. Und er hält einen bundesweit organisierten Veteranentag für vorstellbar.

Als mögliches Datum nennt er den 22. Mai — weil an dem Tag die "wehrverfassungsrechtlichen Grundlagen für die Bundeswehr in Kraft getreten" seien. Der Bundeswehrverband hält den 8. Juni für praktikabler, weil an dem Tag 1992 in Kambodscha der erste Auslandseinsatz begann. Innerhalb der Truppe werden auch der 2. April (2010/Karfreitagsgefechte) und der 7. Juni (2003/Busanschlag in Kabul) diskutiert.

Königshaus für eigenen Status der Veteranen

Nach Ansicht des BDV-Vorsitzenden Andreas Timmermann-Levanas würde ein Veteranentag nur dann zum Erfolg werden, wenn er richtig gestaltet sei. Dazu habe sein Verband den Fraktionen konkrete Vorschläge unterbreitet — bislang aber nicht einmal eine Reaktion erhalten.

"Nichts gegen einen Veteranentag, aber das muss vor allem mit tatsächlicher Fürsorge unterfüttert werden", sagt Hellmut Königshaus, der Wehrbeauftragte des Bundestages, im Gespräch mit unserer Redaktion. Während de Maizière die soziale und medizinische Betreuung für aktive wie ehemalige Soldaten für "auf hohem Niveau gewährleistet" ansieht, stellt Königshaus fest: "Ich glaube nicht, dass unsere Veteranen schon optimal versorgt sind, jedenfalls nicht, was ihre langfristigen speziellen Bedürfnisse anbelangt."

Posttraumatische Belastungsstörungen träten oft erst Jahre nach den Einsätzen und der Entlassung aus der Truppe auf. Dann aber hätten die Betroffenen durch "eine ganze Tretmühle von Begutachtungsverfahren" zu gehen, bevor die Ursachen anerkannt würden.

Veteranen müssten daher einen eigenen Status erhalten, ihre Verwendung in Einsätzen sollte registriert werden, und dann müsse man sie mit ihren Angehörigen langfristig im Auge behalten. "Dafür brauchen wir eine Betreuungseinrichtung mit funktionierendem Apparat", betont Königshaus. Deshalb müsse der Verteidigungsminister auch Geld in die Hand nehmen. Die Größenordnung des Etats des US-Veteranenministers mit rund 100 Milliarden Euro sei zwar kein Maßstab für Deutschland. Deshalb sage er auch nicht, dass ein Promille der Summe auch in Deutschland nötig sei. "Aber ein Promille der Aufgaben des US-Veteranenministers haben wir auch."

Bundeswehr-Experte Jürgen Hardt (CDU) wünscht sich eine breite gesellschaftliche Diskussion über Veteranen. Denn: "Anerkennung kann man nicht anordnen, sie muss gelebt werden."

(may)
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