„Sicherheitstour“ der Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Negativrekorde

Rostock · Zuletzt hat sie mit dem Compact-Verbot eine Niederlage erlitten. Nun stellt Faeser den Jahresbericht 2023 der Bundespolizei vor. Es gibt einige Negativrekorde.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Landesminister Christian Pegel am Seehafen Rostock.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Im Moment hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eher wenig Erfolg mit ihren Vorstößen. Als Anti-Terror-Maßnahme wollte sie ermöglichen, dass das Bundeskriminalamt (BKA) Wohnungen auch heimlich durchsuchen kann. Doch es kam Widerspruch - aus der eigenen Regierung: Justizminister Marco Buschmann (FDP) erteilte ihr mit Verweis auf die Verfassung eine Abfuhr, sprach sogar von „Tabubruch“.

Was Abschiebungen nach Syrien oder Afghanistan angeht, gibt es indes nach wie vor nichts, was über Ankündigungen hinausgeht. Und zuletzt erwies sich das von Faeser verfügte Verbot des rechtsextremen „Compact“-Magazins als voreilig. Das Bundesverwaltungsgericht zweifelte die Verhältnismäßigkeit an und hob das Verbot in der vergangenen Woche vorläufig auf.

Dabei ist die Sozialdemokratin für wichtige Themen zuständig, bei denen dringend Handlungsbedarf besteht. Einige davon werden auf Faesers „Sicherheitstour“ erörtert, am Montag bei einem Besuch in Rostock. Wegen einer Fußverletzung läuft sie auf Krücken über den Seehafen. Gemeinsam mit dem Landesinnenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel (SPD), lässt sie sich von Polizisten über den Kampf gegen die organisierte Kriminalität und den Drogenschmuggel informieren.

Geschmuggelt wird zwar vor allem über größere Containerhäfen, etwa in Hamburg. Doch in Rostock befürchtet man, dass kriminelle Banden auf die Fährverbindungen über Ostdeutschland ausweichen könnten, wenn die Kontrollen in Hamburg zu massiv werden. „Verdrängungseffekte“, nennt sich das im Behörden-Sprech.

„Die Aufgaben sind nicht kleiner geworden“, sagt Minister Christian Pegel bei der Tour und betont: „Spätestens nach den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines haben wir gesehen, wie verletzlich unsere Infrastrukturen sind“. Der Landesminister weist auf die „Vielzahl von zentralen Stromleitungen“ hin, die von Mecklenburg-Vorpommern nach Skandinavien oder in die großen Offshore-Windparks gehen. Hinzu kämen Glasfasernetze, „in Bündeln“, die an ein weltweites Netz angeschlossen seien. Als Ministerin Faeser zu ihren Erkenntnissen zum Nord-Stream-Anschlag gefragt wird, ist sie zurückhaltend. Sie könne keine neuen Erkenntnisse mitteilen, sagt sie und betont: „Das ist ein Verfahren, das vom Bundesanwalt geführt wird. Der ist alleine auskunftsberechtigt.“ Es ist ein unangenehmes Thema.

Am Nachmittag steht eine mehrstündige Fahrt auf einem Schiff der Bundespolizei See an. Faeser kommt auf etwas Leichteres zu sprechen. Sie sei Taufpatin für dieses Schiff gewesen, sagt sie. Es handele sich um ein hochseetaugliches Einsatzschiff, das Ausdruck der Modernisierung der Bundespolizei sei.

An Bord stellt Faeser den Jahresbericht der Bundespolizei 2023 vor. Der beinhaltet Zahlen, die aktuelle Probleme in Deutschland beziffern - es gibt mehrere Negativrekorde. So lag das Straftatenaufkommen in dem Bereich insgesamt bei mehr als 790.000 - der höchste Wert seit 2012. Besonders stark gestiegen sind die Straftaten, die sich auf das Aufenthaltsrecht beziehen, die Deutsche also nicht verüben können. Hier lag die Zahl bei rund 390.000 (plus 38,8 Prozent im Jahresvergleich). Auch bei Sexualdelikten (plus 14,9 Prozent), Taschen- und Gepäckdiebstählen (plus 16,4 Prozent) sowie Gewaltdelikten (plus 10,6 Prozent) wurden starke Anstiege verzeichnet. Mehr als die Hälfte aller Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei - nämlich rund 425.000 - wurden in Zügen, Bahnhöfen oder anderen Anlagen der Bahn begangen.

Eine Einordnung, ob die Bahnhöfe generell unsicherer geworden sind, will der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, auf dieser Grundlage nicht vornehmen. Mit Blick auf die Messerdelikte, die ebenfalls mehr geworden sind, stellt er indes seine Interpretation der Situation vor: In Relation zur Gesamtbevölkerung griffen Nichtdeutsche sechsmal häufiger zum Messer als Deutsche, sagt er. Bei Sexualdelikten seien es siebenmal häufiger Nichtdeutsche - „jedenfalls in unserem Zuständigkeitsbereich“. Einen weiteren Negativrekord gab es bei den Angriffen auf Einsatzkräfte der Bundespolizei. Fast 3.000 waren es laut Statistik im vergangenen Jahr.

Deutlich gestiegen ist außerdem die Zahl der unerlaubten Einreisen nach Deutschland: Im vergangenen Jahr sei das mit fast 128.000 der höchste Wert seit 2016 gewesen. Die meisten Fälle wurden an der Grenze zu Polen, zu Österreich, zur Schweiz und zu Tschechien registriert. In diesem Jahr gingen die Zahlen bislang wieder zurück, was Romann und Faeser als Erfolg der Grenzkontrollen werteten.

Die Zahl der vollzogenen Abschiebungen lag im vergangenen Jahr bei mehr als 21.200. Ein Jahr zuvor seien es etwa 18.000 gewesen. Zum Stand der Pläne von Abschiebungen nach Syrien oder Afghanistan nannte Faeser keinen neuen Stand. Sie hoffe, dass die Bundesregierung „in Kürze“ erfolgreich sein werde.

Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer sieht hierbei noch „viele offene Fragen“. Im höchsten Maße unklar sei, wie eine Rückführung erfolgen solle, wenn es keine diplomatischen Beziehungen gebe, sagt er. Andere Länder hätten für Abschiebungen nach Afghanistan das Nachbarland Usbekistan involviert. „Es ist allerdings mit Prinzipien des internationalen Völkerrechts äußerst schwierig zu vereinbaren, wenn man die Menschen nach Usbekistan ausfliegt und erwartet, dass sie entweder dort verbleiben oder weiter nach Afghanistan gebracht werden.“

(mit afp/dpa)