Debatte um Migrationsbegrenzung Faesers neue „Schwerpunktkontrollen“ stoßen auf Widerspruch

Berlin · Nicht wirksam, zu personalintensiv - mit diesen Argumenten hatte Innenministerin Nancy Faeser stationäre Grenzkontrollen lange abgelehnt. Nun will die SPD-Politikerin doch neue Kontrollen einführen, um Schleusern das Handwerk zu legen. Sie erntet dafür viel Kritik, auch vom eigenen Koalitionspartner. Derweil macht der Kanzler die deutsche Blockade auf EU-Ebene zur Chefsache.

Nancy Faeser will es nun doch. Lange hatte die Innenministerin stationäre Kontrollen an den deutschen Grenzen zu Polen und Tschechien abgelehnt. Die SPD-Politikerin argumentierte, diese Kontrollen seien nicht nur sehr personalintensiv, sondern vor allem kein wirksames Mittel gegen kriminelle Schleuser. Schließlich würden die Schleuser einen Bogen um die Kontrollpunkte machen und andere Wege suchen, so die Begründung. Doch nun hat sich etwas gedreht in der Argumentation der SPD-Politikerin.

Die Bundespolizei nehme ab sofort „zusätzliche flexible Schwerpunktkontrollen an den Schleuserrouten an den Grenzen zu Polen und Tschechien“ vor, sagte Faeser am Mittwoch nach einer Sitzung des Innenausschusses im Bundestag. Diese zusätzlichen Maßnahmen würden auch auf der Grenzlinie stattfinden und es handle sich dabei um stationäre Grenzkontrollen, erläuterte Faeser auf Nachfrage.

Was war passiert, das zum Umdenken der Ministerin führte? Die Grenzbundesländer Brandenburg und Sachsen fordern seit Wochen stationäre Kontrollen. Anhaltender Druck kam auch aus der Opposition. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rief Faeser am Dienstag dazu auf, die zusätzlichen Grenzkontrollen bei der EU anzumelden. Erst ein Antrag bei der EU-Kommission würde dauerhafte Kontrollen, wie sie es sie in Bayern an der Grenze zu Österreich gibt, ermöglichen. Der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm warf der Innenministerin am Mittwoch eine „Täuschung der Öffentlichkeit im Vorfeld der Landtagswahlen“ vor. Nach seiner Darstellung handle es sich bei den „flexiblen Schwerpunktkontrollen“ gerade nicht um stationäre Kontrollen, da für letztere eine Notifizierung bei der EU notwendig sei. Der Druck aus der Opposition und den Bundesländern habe die Ministerin nun zum Handeln gezwungen – so stellt Throm es dar. Was am Ende dabei herauskam, stellt die Kritiker jedoch nicht zufrieden.

In nur eineinhalb Wochen wird in Bayern und Hessen gewählt. Faeser steht als Spitzenkandidatin der hessischen Sozialdemokraten im Wahlkampfendspurt, ebenso wie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der mit seiner Forderung einer „Integrationsgrenze“ von 200.000 Migranten pro Jahr bundesweit für Schlagzeilen sorgte.

Faeser selbst wollte am Mittwoch dem Eindruck entgegenwirken, dass sich ihre Position geändert habe. Die Schleierfahndung sei „nach wie vor das wirksamste Instrumentarium, weil ich die komplette Fläche der Grenzen kontrollieren kann“, so Faeser. Weitere Kontrollen habe sie nie ausgeschlossen. Man müsse „das grausame Geschäft der Schleuser“ stoppen. Für die neuen Kontrollen ist laut Faeser vorerst keine Notifizierung notwendig. „Im Moment haben wir das Glück, dass die beiden Nachbarstaaten mit uns arbeiten“, sagte sie. Die Ministerin schloss jedoch nicht aus, dass eine Notifizierung im weiteren Verlauf notwendig wird, wenn die Zusammenarbeit nicht so läuft wie erhofft.

Nicht nur bei der Opposition, auch beim eigenen Koalitionspartner stößt Faesers Vorstoß auf Widerspruch. „Die Wirksamkeit von stationären Grenzkontrollen sehen wir weiterhin kritisch, sie müssten zudem in Brüssel notifiziert werden“, sagte die Grünen-Innenpolitikerin Lamya Kaddor unserer Redaktion. Sie sprach von „gravierenden und nicht intendierten Folgen von Grenzkontrollen“. Anwohner etwa in Bayern würden über Belastungen durch Staus und Verzögerungen klagen. „Aus unserer Sicht besteht hier grundsätzlich auch die Gefahr, dass das zusätzliche Personal, das für solche Kontrollen nötig ist, an anderen Stellen – etwa Flughäfen und Bahnhöfen – fehlen würde“, so die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Dadurch würden „zusätzliche Sicherheitslücken“ entstehen. „Hinzu kommt, dass wir an der Grenze ohnehin niemanden, der Asyl beantragt, zurückweisen dürfen“, so Kaddor weiter.

Es bleibt also weiter die Frage im Raum stehen, welche Instrumente tatsächlich dazu beitragen können, die Zahlen der Geflüchteten in Deutschland zu reduzieren. Der Blick richtet sich auch auf die EU-Ebene. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) sei der „entscheidende Schritt“ für eine Verringerung der irregulären Migration, sagte Faeser. „Damit muss jeder an den EU-Außengrenzen strikt überprüft und registriert werden.“ Die Pläne sehen auch Asyl-Vorprüfung an den Außengrenzen und eine Rückführung von Menschen ohne Schutzanspruch direkt von dort vor. In der Bundesregierung hatten die Grünen die Zustimmung bislang aufgehalten, weil sie Bedenken wegen der sogenannten Krisenverordnung haben. Inzwischen soll Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Entscheidung zu seiner Sache gemacht haben. Dem Vernehmen nach macht Deutschland nun den Weg in Brüssel frei. Die Reformpläne werden auch Thema sein beim Treffen der EU-Innenminister an diesem Donnerstag.

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