Kanzler nach dem Gipfel Scholz muss wieder runter von der G7-Wolke

Meinung | Berlin · Olaf Scholz kann mit seiner Gipfel-Bilanz in Japan zufrieden sein. Jetzt kommt er wieder zurück in die Niederungen der Koalitionsstreitereien - und da ist von Scholz endlich ähnlich viel diplomatisches Geschick gefragt.

 Kanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden auf dem G7-Gipfel in Japan. Scholz kann mit seiner Bilanz zufrieden sein.

Kanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden auf dem G7-Gipfel in Japan. Scholz kann mit seiner Bilanz zufrieden sein.

Foto: dpa/Susan Walsh

Nach dem G7-Gipfel hat Kanzler Olaf Scholz erst einmal einen Interviewmarathon gestartet. Der deutsche Regierungschef ist zufrieden mit seiner Gipfelbilanz. Und das sollen in der Heimat viele wissen. Scholz kann auch zufrieden sein.

Im fernen Japan hat der Kanzler die G7-Geschicke entscheidend mitbestimmt, ob beim weiteren Umgang mit dem Ukrainekrieg inklusive neuer Waffenlieferungen oder der künftigen China-Politik. Selbst die Kampf-Jet-Ankündigungen von US-Präsident Joe Biden kann Scholz mit Gelassenheit sehen – alles noch Zukunftsmusik. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten wird lange dauern, die Lieferung von Flugzeugen erst Recht.

Scholz kann damit bei seiner ablehnenden Kampfjet-Haltung bleiben, ohne sich international zu isolieren oder daheim eine Zusage zu brechen wie bei den Panzern. Es zeigt sich allerdings, dass die G7-Staaten offenbar nicht mit einem Ende des russischen Angriffskrieges in nächster Zeit rechnen. Dazu scheint auch im Hintergrund in zu wenigen diplomatischen Kanälen gefunkt zu werden.

Scholz macht es jedenfalls derzeit so, wie viele Kanzler vor ihm. Außenpolitisch hui, innenpolitisch dagegen an einigen Stellen eher pfui. Soll heißen: Wenn es innenpolitisch nicht richtig läuft, versucht man, außenpolitisch umso mehr zu glänzen. Angela Merkel ging so ebenfalls vor; sie wirkte der Innenpolitik zeitweilig entrückt, gerne zulasten ihrer jeweiligen Außenminister. Im Falle Scholz ist es Annalena Baerbock, womöglich bei der nächsten Bundestagswahl seine Herausforderin auf grüner Seite, die gerade das Nachsehen hat. Baerbock strampelt sich ab, liefert manch heiklen und durchaus kritikwürdigen Spagat auf internationalem Parkett wie zuletzt bei ihrer Reise in den Mittleren Osten. Am Ende wird das große Rad aber dann doch vom Kanzler gedreht. Er ist der Koch, die Kellnerin sitzt im Auswärtigen Amt. Und Scholz lässt dies die Grüne ziemlich oft spüren. Vermutlich mit innerem Grinsen.

Doch die G7-Wolke wird sich nun zügig verziehen und den SPD-Mann wieder zurück in die Niederungen von Haushaltsdefizit, Klimaschutzmaßnahmen und vermaledeitem Heizungsaustausch purzeln lassen. Also auf die Ebene der vielen Koalitionsstreitereien, die es derzeit in dem selbst ernannten Fortschrittsbündnis gibt. Die Ampel wirkt da zuweilen kopf- und führungslos. Nun sollte man nicht glauben, wenn Scholz das eine oder andere Machtwort sprechen würde, dass die Dinge dann automatisch besser liefen. Ein Finanzminister vom Schlage eines Christian Lindner dürfte sich davon nicht beeindrucken lassen; ein Robert Habeck wohl ebenso nicht – der Wirtschaftsminister ist ja gerade auch selber dabei, durch die Skandälchen in seinem Ressort sich aus dem Kreis der potenziellen Scholz-Herausforderer zu verabschieden. Da muss der Kanzler nur genüsslich zusehen.

Machtworte nutzen daher nur, wenn sie auch mit einer Erfolgsgarantie verbunden sind. Das ist bei den vielen Konflikten in der Koalition schier aussichtslos. Insofern sollte der Kanzler jetzt seine in Japan gezeigten, diplomatischen Fähigkeit verstärkt einsetzen, um sein Bündnis endlich wieder auf Kurs zu bekommen. Notwendig wäre es. Im Sinne der Bürger.

(has)
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