Wahlkampfauftritte in Deutschland Nach Yildirim kommt Erdogan

Oberhausen · Etwa 9500 Türken haben am Samstag in Oberhausen dem türkischen Premierminister zugejubelt. Auch Präsident Erdogan plant einen Wahlkampfauftritt in Deutschland. Die NRW-Regierung würde das gern verhindern, hat aber kaum Möglichkeiten dazu.

Türkische Ministerpräsident Yilderim spricht in Oberhausen
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Türkische Ministerpräsident Yilderim spricht in Oberhausen

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Foto: rtr, WR/joh

Sie schwenken Türkei-Fahnen, tragen Erdogan-Schals und jubeln jedes Mal, wenn der Name des Staatspräsidenten fällt. Etwa 10.000 Türken haben am Wochenende mitten im Ruhrgebiet einer Rede des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim zugehört. Bei der Veranstaltung der türkischen Regierungspartei AKP warb Yildirim vor allem für die geplante Verfassungsreform für ein Präsidialsystem in der Türkei.

Nach dem umstrittenen Auftritt in Oberhausen plant auch Staatschef Recep Tayyip Erdogan Kundgebungen im Ausland, um unter Türkischstämmigen für sein geplantes Präsidialsystem zu werben. Die türkischen Wähler sollen am 16. April in einem Referendum über eine Verfassungsänderung abstimmen, die Erdogan eine noch größere Machtfülle geben würde. Er wolle in Belgien, den Niederlanden, Skandinavien und Deutschland sprechen, kündigte der Staatschef an.

Premierminister Yildirim bestätigte diese Pläne am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Welche Städte der Präsident besuchen werde, sei noch unklar, sagte Yildirim. "Aber es gibt Vorbereitungen." Meinungsumfragen lassen bei dem Referendum ein knappes Ergebnis erwarten. Vor diesem Hintergrund bekommen die Stimmen der Deutschtürken besonderes Gewicht.

Von den knapp drei Millionen Türkischstämmigen, die in Deutschland leben, sind 1,4 Millionen in der Türkei wahlberechtigt. Sie können in den Generalkonsulaten ihres Landes abstimmen. Unter seinen Landsleuten in Deutschland hat Erdogan viele Anhänger. Bei der Präsidentenwahl von 2014 erhielt er hier fast 69 Prozent der Stimmen, 52,2 Prozent im eigenen Land.

NRW-Integrationsminister will Erdogan-Auftritt verhindern

NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", wegen der Größe der türkisch-stämmigen Gemeinde sei damit zu rechnen, "dass Herr Erdogan einen Auftritt in unserem Land plant". Schmeltzer sagte, man wolle "in NRW keine solchen Veranstaltungen, die den Keil der Spaltung weiter in unsere Gesellschaft treiben. Wir sehen das mit großer Sorge, aber rechtlich sind uns die Hände gebunden." Diplomatisch sei hier zunächst die Bundesregierung gefordert.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland rief Türken zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der geplanten Verfassungsreform auf. "Die Regierung der Türkei macht eine Kampagne, bei der Gegner der Reform als Staatsfeinde oder Terroristen denunziert werden", sagte der Vorsitzende Gökay Sofuoglu den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Ich appelliere an die Türken in Deutschland, sich kritisch mit der Reform in der Türkei auseinanderzusetzen und sich die Demokratie der deutschen Verfassung zum Vorbild zu nehmen." Erdogan hatte schon früher in Deutschland Wahlkundgebungen veranstaltet, was zu Kontroversen führte.

Yüncel könnte 14 Tage in Polizeigewahrsam bleiben

Beim Auftritt von Yildirim in Oberhausen wurden mehrere akkreditierte Journalisten vom Sicherheitsdienst nicht eingelassen. Betroffen waren Journalisten der "tageszeitung", des Recherchezentrums "Correctiv" und der Wochenzeitung "Jungle World". "Die ganz offensichtlich unbegründete Zurückweisung unseres Reporters hat den Geruch einer politischen Maßregelung", erklärte die stellvertretende "taz"-Chefredakteurin Katrin Gottschalk.

In der Türkei ist in der vergangenen Woche Deniz Yücel von der Tageszeitung "Die Welt" als erster deutscher Journalist seit Verhängung des Ausnahmezustandes in Polizeigewahrsam genommen worden. Gegen Yücel, der die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, wird wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Terrorpropaganda und Datenmissbrauch ermittelt. Dabei soll es um gehackte E-Mails von Energieminister und Erdogan-Schwiegersohn Berat Albayrak. Yücel hatte, wie andere Medienvertreter auch, über die Mails berichtet, die schon seit Anfang Dezember auf der Enthüllungsplattform Wikileaks allgemein zugänglich sind.

Nach den Bestimmungen des Ausnahmezustandes kann der Korrespondent 14 Tage lag in Polizeigewahrsam festgehalten werden. Danach muss ein Richter über Freilassung oder Untersuchungshaft entscheiden. Bei einem Schuldspruch könnte Yücel eine langjährige Haftstrafe drohen.

(RP)
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