SPD-Parteitag Müntefering erobert die Herzen zurück

Hamburg (RPO). Vizekanzler Franz Müntefering hat die Delegierten auf dem SPD-Parteitag mit einer selbstbewussten Rede zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Knorrig, launig und mit viel Herz hob er die Erfolge sozialdemokratischer Regierungspolitik hervor. Den Höhepunkt gab es zum Abschluss: Müntefering zog SPD-Chef Kurt Beck an seine Seite.

Eindrücke vom SPD-Parteitag
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Foto: AP

Da waren sie wieder, die beiden nach oben gereckten Daumen des Franz Müntefering. Der Vizekanzler, der in den Wochen vor dem Hamburger Parteitag eine Niederlage im Streit mit SPD-Parteichef Kurt Beck in der Debatte um das Arbeitslosengeld I hatte hinnehmen müssen, riss am Samstag die über 500 Delegierten regelrecht vom Hocker. Die Delegierten feierten Müntefering stehend mit minutenlangem Applaus. "Es ist noch was da, ich bin noch nicht ausgetrocknet", lautete die Botschaft des 67-jährigen Sauerländers.

Ohne Jackett und mit roter Krawatte trat Müntefering nach einer langen Debatte über die Bahnreform ans Podium im Hamburger Kongresszentrum. Zum ersten Mal ergriff er das Wort auf dem Parteitag, um den Leitantrag "Gute Arbeit" zu begründen. Bis zu diesem Moment schien es, als ob Müntefering den Parteitag möglichst ganz schnell abhaken wollte. Zur Eröffnung war er hölzern hinter Beck ins Plenum eingezogen, hatte dann dessen Rede schmallippig und mit unbewegter Miene verfolgt. Auch als Alt-Kanzler Gerhard Schröder ihm bescheinigte, der erfolgreichste Arbeitsminister aller Zeiten zu sein, verzog Müntefering keine Miene.

Müntefering spielte seine Bedeutung als gewichtigstes Pfund der SPD in der Regierung voll aus. Er wolle "ein bisschen undeutlich, bleiben, denn ich darf ja nicht allzu drauf hauen", kokettierte er, um dann aber die Union in der Frage des Postmindestlohns hart anzugreifen.

Die sozialdemokratische Seele der Delegierten erreichte der Erfinder der "Heuschrecken"-Vokabel schließlich mit einer Polemik gegen Millionen-Gehälter in der Wirtschaft. "Dass einer tausendfach so gut ist wie ein anderer, das kann überhaupt nicht sein." Auch das "müssten wir uns mal vornehmen", forderte Müntefering. Seine Erfahrung als Industriekaufmann in einer Firma, in der jeder nach Gutdünken des Arbeitgebers unterschiedlich bezahlt worden sei, habe ihn als jungen Mann "angekotzt". Es brauche "ordentliche Vereinbarungen" für faire Löhne bei gleicher Arbeit.

Die Delegierten, emotional aufgewühlt durch eine vorangegangene kontroverse Debatte über die Teilprivatisierung der Bahn, feierten den Appell an die Grundwerte der Sozialdemokratie mit begeistertem Applaus. Und Müntefering schreckte nicht vor der großen Geste zurück. Er stand auf und zog Beck gemeinsam nach vorne an den Rand der Bühne. Ein kurzes Bild der Einheit an der Spitze der SPD, das noch einen Tag zuvor undenkbar schien.

(afp)
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