Medienbericht Mordverdächtiger im Fall Lübcke stand noch im März in Kontakt mit Neonazis

Köln · Der Verdächtige Stephan E. hat noch im März Kontakt mit der rechtsextremen Szene gehabt. Das berichtet das ARD-Magazin „Monitor“. Außerdem prüfen Ermittler eine mögliche persönliche Verbindung von E. zu dem Kasseler Regierungspräsidenten.

 Ein Teilnehmer hält bei einer Kundgebung gegen rechte Gewalt und anlässlich des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke ein Plakat mit dem Bild Lübckes.

Ein Teilnehmer hält bei einer Kundgebung gegen rechte Gewalt und anlässlich des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke ein Plakat mit dem Bild Lübckes.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Stephan E. habe damals an einem konspirativen Treffen von Mitgliedern neonazistischer Organisationen teilgenommen, berichtete das ARD-Magazin „Monitor“ am Freitag unter Verweis auf Fotos von der Zusammenkunft. Anfang der Woche hatte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang noch erklärt, E. sei seit zehn Jahren „unauffällig“ gewesen.

E. war dem Verfassungsschutz seit den 1980-er Jahren als Rechtsextremist bekannt. Dabei beging er laut Haldenwang auch politisch motivierte Straftaten und war seitdem "auf dem Radar des Verfassungsschutzes". Sein letzter Eintrag beim Verfassungsschutz stamme allerdings aus dem Jahr 2009, danach sei es ruhiger um ihn geworden, hatte Haldenwang bei einer Pressekonferenz mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gesagt.

Nach den Erkenntnissen von "Monitor" nahm E. am 23. März an einer "konspirativen" rechten Veranstaltung im sächsischen Mücka teil. Dort sei er zusammen mit Mitgliedern der neonazistischen Organisationen Combat 18 und Vereinigung Brigade 8 fotografiert worden. „Monitor“ wertete die Bilder nach eigenen Angaben in Zusammenarbeit mit einem Gutachter aus, der diese als authentisch eingestuft habe. Combat 18 wurde als bewaffneter Arm des Neonazi-Netzwerks Blood and Honour gebildet, das wiederum als zentrale Unterstützergruppe der Terrorvereinigung NSU gilt.

Die von „Monitor“ ausgewerteten Fotos von dem Treffen in Mücka zeigen dem Bericht zufolge außer E. unter anderen Stanley R., der als eine zentrale Figur des deutschen Combat 18 gilt. Beide haben demnach eine gemeinsame Vergangenheit in der Neonazi-Szene und nahmen zum Beispiel im Jahr 2002 gemeinsam an einer NPD-Wahlkampfveranstaltung teil.

Außerdem prüfen die Ermittler eine mögliche persönliche Verbindung des Tatverdächtigen zu dem Kasseler Regierungspräsidenten. Wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ am Freitag berichtete, könnte Stephan E. 2015 an einer Bürgerversammlung mit Lübcke teilgenommen haben.

Auf dieser Veranstaltung hatte der CDU-Politiker eine geplante Flüchtlingsunterkunft verteidigt und sich gegen Schmährufe gewehrt. Dabei sagte er, wer gewisse Werte des Zusammenlebens nicht teile, könne das Land verlassen.

Der „Spiegel“ zitiert Ermittler mit den Worten, E. habe Lübckes Auftritt nicht nur „sehr genau wahrgenommen“, sondern gegenüber Gleichgesinnten auch „kommentiert und bewertet“. In einem Chat habe er sich über Lübcke aufgeregt und ihn als „Volksverräter“ bezeichnet.

Dem Bericht zufolge liegt das Bürgerhaus von Lohfelden, in dem die Versammlung stattfand, nur zwei Kilometer von E.s Wohnhaus entfernt. Die Erstaufnahmeeinrichtung habe nur einen guten Kilometer von seinem Haus entfernt entstehen sollen.

Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die inzwischen die Ermittlungen führt, wollte sich dazu auf Nachfrage nicht äußern.

Lübcke, der Anfang Juni erschossen wurde, war Regierungspräsident von Kassel. Der Mord wurde in sozialen Netzwerken von rechten Akteuren teils mit Häme und Schadenfreude kommentiert.

(zim/AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort