Jetzt für #mitreden-Debattenwettbewerb anmelden So streiten Schüler für ihre Sache

Düsseldorf · Ob kostenloser Nahverkehr, Computer im Klassenzimmer oder der klimaneutrale Stadtteil – politische Entscheidungen betreffen den Alltag von Jugendlichen jeden Tag. Trotzdem finden selbst interessierte junge Leute nur selten Gehör. Das können sie ändern, #mitreden kann helfen.

 Schüler sprechen bei „Jugend debattiert“ mit Politikern (Symbolfoto).

Schüler sprechen bei „Jugend debattiert“ mit Politikern (Symbolfoto).

Foto: Christoph Soeder / dpa

Die Rede drohte das Publikum zu ermüden. FDP-Chef Christian Lindner holte im Februar 2015 weit aus, als er im Landtag von Nordrhein-Westfalen den Wert von Unternehmensgründungen erklärte. Bei Minute 22 passierte es. Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Volker Münchow rieb dem Liberalen genüsslich unter die Nase, dass der mit seiner eigenen Gründung nicht gerade gute Erfahrungen gemacht habe. Auf einmal flogen die Funken. Ja, gab der Chef der Liberalen zu, er sei mit seinem Internet-Unternehmen „nicht erfolgreich“ gewesen, er sei gescheitert. Aber er wundere sich doch, so polterte Lindner, dass diese Vorwürfe oft von Politikern kommen, „die das ganze Leben im Staat gearbeitet oder vom Staat gelebt haben“.

Treffer, versenkt. Der Schlagabtausch machte die Runde in den sozialen Medien, millionenfach wurde die Szene geklickt. Zuvor hatte die damalige sozialdemokratische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft noch dafür geworben, dass man das „Scheitern von Pionieren nicht ein ganzes Leben als Stigma verwenden“ dürfe.

Schlagfertigkeit, geschliffene Rede, zugespitzte Argumente sind das Salz in der Demokratie. Aber auch die pointierte Darlegung eines Zusammenhangs und die auf das Thema bezogene Gegenrede faszinieren das Publikum. Eine gute Ansprache kann Menschen mitnehmen, kann einer Sache den entscheidenden Impuls verleihen.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) gilt als begnadeter Debattenredner. Mit seinem fulminanten Plädoyer für Berlin gab der damalige Fraktionschef der Union 1991 den Ausschlag für den künftigen Regierungssitz des vereinigten Deutschland. Gerade im Bundestag gab es berühmte Rededuelle – zwischen Bundeskanzler Adenauer und dem damaligen Kommunisten-Chef Renner, zwischen dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Wehner und dem CSU-Urgestein Strauß, zwischen den Kanzlern Kohl und Schmidt.

  

 

Foto: Phil Ninh

Und auch heute hat die Qualität von Rededuellen nicht unbedingt nachgelassen. FDP-Chef Lindner und die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, aber auch der CDU-Jungpolitiker Philipp Amthor, Linken-Star Gregor Gysi oder der SPD-Hoffnungsträger Kevin Kühnert sind herausragende Sprecher für ihre Sache, egal was man sonst über sie denken mag.

Ein guter Politiker muss reden und argumentieren können, sonst findet er nur schwer Mehrheiten. Und davon lebt die Demokratie. Leider ist in Deutschland – anders als in den USA, Großbritannien oder Frankreich – die politische Redekultur nicht sonderlich ausgeprägt. Vielleicht begünstigt das auch die Politikmüdigkeit, die oft zu beobachten ist.

Gerade junge Leute lieben aber den produktiven Streit. Das Format „Jugend debattiert“ feierte in diesem Jahr bereits den 20. Geburtstag. Es hat bundespolitische Bedeutung erlangt. Die Rheinische Post möchte mit #mitreden einen Debatten-Wettbewerb unter Jugendlichen in der Region etablieren. Schülerinnen und Schüler sollen sich argumentativ mit Themen auseinandersetzen, die sie – egal ob Stadt oder Land – konkret betreffen. Das kann der digitale Unterricht sein, die autofreie Innenstadt oder ein umstrittenes Bauvorhaben in der Gemeinde. Es muss etwas sein, zu dem es kontroverse Meinungen gibt. So verlangt etwa die Stadt Monheim für den öffentlichen Nahverkehr keine Tickets mehr. Ist das ein Modell für andere Kommunen? Soll eine Grünoase in ein Wohngebiet umgewandelt oder eine stark frequentierte Uferpromenade am Rhein mit Videokameras überwacht werden?

Streitthemen gibt es viele. Und gerade vor Ort kann man hervorragend lernen, wie Politik funktioniert. Und weil das Ringen um Lösungen im Wettbewerb erfolgt, sollen auch aus den Debatten der Schülerinnen und Schüler Sieger hervorgehen – wie bei „Jugend musiziert“ oder „Jugend forscht“.

Unser Wettbewerb richtet sich an die Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe. Wir möchten aber auch die Lehrkräfte als Verantwortliche der betroffenen Schulen in der Region Düsseldorf/Neuss, am Niederrhein und im Bergischen Land (Verbreitungsgebiet der Rheinischen Post) dafür begeistern. Unter den Bewerbungen sucht dann unsere Redaktion gemeinsam mit dem Partner Evonik Industries, einem der bedeutendsten Chemiekonzerne Deutschlands, die acht besten Schulen aus. Dort soll der erste Rede-Wettstreit ausgetragen werden, in dem zwei oder vier Teams gegeneinander antreten.

Höhepunkt ist der #mitreden-Tag an einem besonderen Ort der Demokratie in Nordrhein-Westfalen – im Ständehaus oder im Landtag. Im Finale stehen vier Teams, die diesmal um ein übergeordnetes Thema streiten – über die Klimapolitik, den Pflegenotstand oder die Impfpflicht. Mit dabei sein werden prominente Politikerinnen und Politiker. Über den Sieger entscheidet eine hochrangige Jury.

Jugendliche beklagen oft, dass ihre Meinungen nicht gehört werden und dass sie die Politik oft missversteht. Das ist eine Herausforderung. Wer aber wahrgenommen werden will, muss sich verständlich machen. Das soll unser Wettbewerb leisten. Er gibt unter Anleitung engagierter Lehrkräfte den jungen Leuten die Fertigkeiten an die Hand, sich politisch Gehör zu verschaffen. Ohne eine meinungsstarke Jugend hat die Demokratie in Deutschland keine Zukunft.

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