Hansestadt wählt neue Bürgerschaft Mit Hamburg startet das Superwahljahr

Hamburg (RP). Am Sonntag wählt Hamburg eine neue Bürgerschaft. Die SPD geht mit Spitzenkandidat Olaf Scholz als Favorit ins Rennen. Für den amtierenden Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) sieht es düster aus. Es ist die erste Landtagswahl von sieben in diesem Jahr.

 Olaf Scholz ruft die Genossen zu mehr Selbstbewusstsein in Wahlkämpfen auf.

Olaf Scholz ruft die Genossen zu mehr Selbstbewusstsein in Wahlkämpfen auf.

Foto: dapd, dapd

Die Bundesspitzen der Parteien haben alles nach vorne geworfen in den letzten beiden Tagen vor der Hamburgwahl. Die Kanzlerin, der SPD-Chef und die Spitzen von FDP, Grünen und Linken sind an die Elbe gereist, um noch einmal Dampf zu machen.

Während SPD-Chef Gabriel siegesbewusst Olaf Scholz als neuen Hamburger Bürgermeister ankündigt, fordert Kanzlerin Merkel ihre Truppe auf, die Stunden bis Sonntag 18 Uhr zu nutzen. Hinter verschlossenen Türen räumen die CDU-Strategen längst ein, dass sie die Wahl in Hamburg abgeschrieben haben.

In den Umfragen liegt der amtierende CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus bei 23 bis 24 Prozent. Seinem Herausforderer Scholz sagen die Wahlforscher 45 bis 46 Prozent voraus. Damit steht Hamburg im Gegensatz zum Bundestrend, wo die SPD weiterhin bei etwas über 20 Prozent dümpelt, während die Union auf rund 36 Prozent kommt.

Koalition in der Krise

Ahlhaus hatte denkbar schlechte Startbedingungen. Im Sommer trat Ole von Beust (CDU) als Erster Bürgermeister Hamburgs überraschend zurück. Seine Koalition steckte in einer Krise, nachdem die Hamburger in einem Volksentscheid gegen die schwarz-grüne Schulreform gestimmt hatten. Von Beust war einer, der Schwarz und Grün zusammenhalten konnte. Er verkörperte die moderne, liberale Großstadt-CDU. Sein damaliger Innensenator und Nachfolger Christoph Ahlhaus gilt hingegen als Vertreter der konservativen CDU — ein Mann, der Recht und Gesetz durchsetzt.

Den Grünen war Ahlhaus von Anfang an suspekt. Sie lösten wenige Monate, nachdem sie ihn geschlossen mitgewählt hatten, das Bündnis. Ahlhaus hatte nicht nur eine schlechte Ausgangsposition, er machte auch selbst Fehler. Seine Personalpolitik floppte. Der Wirtschaftssenator, ein Quereinsteiger, sprach einmal in der Bürgerschaft zum falschen Thema. Der Finanzsenator verstrickte sich in eine Gehaltsaffäre und musste zurücktreten.

Ahlhaus' glamouröses Foto-Shooting mit Gattin im Nobelhotel "Vier Jahreszeiten" stieß bei den Bürgern auf Unverständnis. Ausgerechnet in der Woche, in der die Koalition platzte, erschienen die Bilder. Nicht zu unterschätzen ist auch der Nachteil, dass Ahlhaus kein Hamburger ist. In dieser Frage ist das Elbvölkchen eigen.

Strategische Punktlandung

Herausforderer Scholz ist zwar auch kein gebürtiger Hamburger, aber dort aufgewachsen. Zudem ist ihm eine strategische Punktlandung gelungen: In dem Moment, in dem die Hamburger ihre amtierende Regierung satt hatten und Scholz seinen einst zerstrittenen Landesverband einigermaßen geeint hatte, wurden in Hamburg Neuwahlen angesetzt. Das ist günstig gelaufen für Scholz, der in seiner politischen Karriere schon viele Höhen und Tiefen durchlebt hat.

Unter der Regierung Schröder war er der unbeliebte SPD-Generalsekretär mit dem wenig schmeichelhaften Spitznamen "Scholzomat", weil er einst die Hartz-Reformen mit gestanzten Formulierungen verteidigte. In der großen Koalition machte er als Arbeitsminister hingegen eine gute Figur. Unter dem Druck der Finanzkrise dehnte er die Regelung zur Kurzarbeit so aus, dass in Deutschland Massenarbeitslosigkeit verhindert werden konnte.

Seine Umfragewerte sind so gut, dass auch eine absolute Mehrheit für Scholz am Sonntag möglich scheint. In diesem Fall könnte SPD-Parteivize Scholz auch seinem eigenen Vorsitzenden, Sigmar Gabriel, gefährlich werden: Wer absolute Mehrheiten in den Ländern holt, taugt auch als Kanzlerkandidat.

Höhenflug der Grünen

Für die Grünen, die sich nach ihrem Bruch mit der CDU wieder als natürlichen Partner der SPD sehen, wäre eine Alleinherrschaft der SPD bitter. Denn Hamburg ist die erste Wahl, seitdem die Grünen in Umfragen einen Höhenflug erleben. Nun müssen sie erstmals zeigen, dass sie die Prozente auch in Wahlergebnisse umsetzen können. Zu schwach zu sein, um der SPD die Alleinregierung streitig zu machen, wäre ein schwerer Schlag für die Öko-Partei und ein schlechter Auftakt für das Superwahljahr 2011.

Die Grünen sind Scholz' erklärter Wunschpartner für eine Koalition. Die Offerte der Liberalen für ein rot-gelbes Bündnis an der Elbe lehnte er hingegen dankend ab, obwohl dies auch der einstige SPD-Bürgermeister Henning Voscherau ins Spiel gebracht hatte.

FDP hat zugelegt

Bei den Liberalen steht ein kleiner Überraschungserfolg ins Haus. Seit sieben Jahren sitzt die FDP nicht mehr in der Bürgerschaft. Nun hat sie eine junge, attraktive Spitzenkandidatin, die ihre Partei immerhin von drei auf fünf Prozent in den Umfragen gehievt hat.

Katja Suding lächelt freundlich, in einen Friesennerz gehüllt, von den Wahlplakaten und kündigt optimistisches Denken und Handeln für die Stadt an. Offenbar setzt die FDP mit ihrer Frontfrau auf den Silvana-Effekt. Silvana Koch-Mehrin ist die gut aussehende Blonde, die für die FDP im Europa-Parlament sitzt. Auf sie war der erfolgreiche Europa-Wahlkampf der FDP 2009 optisch zugeschnitten.

Die Linken müssen in Hamburg um den Wiedereinzug in die Bürgerschaft bangen. Nach der Kommunismus-Debatte, die ihre Bundesvorsitzende Gesine Lötzsch ausgeslöst hatte, sind die Werte der Linken im Westen in den Umfragen überall gesunken.

(RP)
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