Erste Länderrunde mit Scholz als Kanzler Was die Ministerpräsidentenkonferenz entscheiden darf – und was nicht

Berlin · Die Ministerpräsidentenkonferenz entscheidet derzeit nahezu alle wesentlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise. Ihre Bedeutung hat massiv zugenommen. Donnerstag kommen die Ministerpräsidenten erneut zusammen. Ein Blick auf die Hintergründe.

 NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst leitet am 18. November 2021 die Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst leitet am 18. November 2021 die Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern.

Foto: dpa/Marius Becker

Eigentlich treffen sich die Regierungschefs der Länder nur viermal im Jahr zur Ministerpräsidentenkonferenz, zweimal davon mit dem Kanzler. Die Corona-Krise hat das geändert, jetzt gibt es alle paar Wochen eine Besprechung mit der Bundesregierun – am 9. Dezember zum ersten Mal mit Olaf Scholz als neuem Bundeskanzler. Was hinter dem Gremium steckt, wie es arbeitet, was es entscheiden kann – und warum Kritiker Bedenken haben. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was soll in der Ministerpräsidentenkonferenz am 9.12.  besprochen werden?

Am Donnerstag kommen die Regierungschefs von Bund und Ländern zu einer Konferenz mit dem neuen Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen. NRW führt seit dem 1. Oktober für ein Jahr lang den MPK-Vorsitz und hat ihn vom Land Berlin übernommen. Am Nachmittag wollen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder mit Scholz unter anderem die Corona-Lage besprechen. Für Scholz ist das keine Premiere: Auch bei den bisherigen Bund-Länder-Konferenzen war er in der Regel dabei, zuerst als Vizekanzler und Finanzminister, zuletzt auch schon mit tonangebend als designierter Kanzler. Ob neue Regeln zur Eindämmung der Pandemie besprochen werden, ist offen. Es soll bei dem Treffen zwar auch um die Corona-Lage, aber auch um weitere Themen mit Bund-Länder-Bezug gehen. Erst in der vergangenen Woche hatte sich eine Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf weitere Corona-Maßnahmen verständigt.

Seit wann gibt es die Ministerpräsidentenkonferenz?

Die Anfänge der Runde gehen zurück auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. 1947 gab es ein erstes Treffen. 1948 ein zweites, bei dem die Regierungschefs der Länder der drei westlichen Besatzungszonen beschlossen, dass ein Parlamentarischer Rat sich mit der Erarbeitung des Grundgesetzes befassen soll. Erst nach 1954 tagten die Regierungschefs der Westländer regelmäßig, nach der Wiedervereinigung kamen die Ostländer dazu. Grundlage für die Ministerpräsidentenkonferenz ist das im Grundgesetz festgeschriebene Bundesstaatsprinzip: Die Länder haben also eigene Zuständigkeiten und Kompetenzen neben dem Bund.

Warum wurde die Konferenz ins Leben gerufen?

Zweck der Ministerpräsidentenkonferenz ist die bessere Koordinierung politischer Ziele und Maßnahmen – zwischen den Ländern und mit der Bundesregierung. In die Zuständigkeit der Ministerpräsidentenkonferenz (kurz MPK) fällt beispielsweise der Rundfunkstaatsvertrag oder die Regelungen des Länderfinanzausgleichs. Mit der Abstimmung untereinander wollen die Ministerpräsidenten insbesondere gegenüber dem Bund mehr Durchsetzungsfähigkeit erreichen.

Was darf sie entscheiden und was nicht?

Die MPK ist kein Verfassungsorgan, wird also anders als der Bundesrat nicht im Grundgesetz als ein solches genannt. Damit darf die Ministerpräsidentenkonferenz zwar Beschlüsse fassen, diese müssen die Landesregierungen aber hinterher noch in Verordnungen oder Gesetze gießen und im letzteren Fall von den Landesparlamenten verabschieden lassen. Die Geschäfts­ordnung der Ministerpräsidenten­konferenz regelt das Verfahren: Entschei­dungen können nur mit der Zustimmung von mindestens 13 Ländern getroffen werden, bei Entscheidungen über die Geschäfts­ordnung der Ministerpräsidenten­konferenz , bei haushalts­wirksamen Angelegen­heiten und der Schaffung von Gemeinschafts­einrichtungen ist die Einstimmigkeit der Länder erforderlich.

Nach welcher Reihenfolge wechselt der Vorsitz?

Dem Vorsitzland kommt eine Moderationsfunktion zu. Es soll zwischen den Ländern Mehrheiten koordinieren und Kompromisse organisieren. Die Reihenfolge ist festgelegt. Zuletzt hat Berlin von Bayern übernommen, als nächstes Land ist Nordrhein-Westfalen an der Reihe. Übergabe des Staffelstabes war am 1. Oktober 2021.

Warum sitzen bei der Pressekonferenz immer zwei Ministerpräsidenten neben dem Kanzler?

Die Corona-Pressekonferenzen nach den Beratungen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin haben jüngst das öffentliche Bild von der MPK geprägt. Neben Angela Merkel nahmen daran jeweils der Regierungschef des Vorsitzlandes und der vorherige Vorsitzende als Vize-Chef der MPK teil.

Wie kommen die Regierungschefs zu ihren Entscheidungen?

Vorbereitet werden die Entscheidungen und Beschlüsse von der Konferenz der Chefs der Staats- bzw. Senatskanzleien. Sie werden sich auch regelmäßig mit Wolfgang Schmidt (SPD) abstimmen, dem neuen Chef des Bundeskanzleramtes. Zudem gibt es Vorbesprechungen der sogenannten A- und B-Länder. Bei der MPK besteht die A-Seite aus den von der SPD geführten Ländern plus das von der Linken geführte Thüringen. Die B-Seite bilden die von den Unionsparteien geführten Länder und das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg. In diesen Vorbesprechungen legen sie ihre Verhandlungspositionen fest. Geht es um besonders heikle oder vertrauliche Themen, dient das sogenannte Kamingespräch als vertrauenswürdige Runde. Daran nehmen nur die Ministerpräsidenten ohne Mitarbeiter teil.

Hat die Corona-Krise die Ministerpräsidentenkonferenz verändert?

Die Pandemie hat nicht zu einer Ausweitung der MPK-Befugnisse geführt. Politisch ist die Bedeutung der Ministerpräsidentenkonferenz aber stark gewachsen. „Das Gremium soll bewirken, dass sich die Länder bei ihren Maßnahmen wechselseitig abstimmen und verständigen“, sagt der Staatsrechtler Christoph Degenhart. Das diene der Akzeptanz der Corona-Politik und sei in dieser Lage notwendig, so der emeritierte Professor der Uni Leipzig.

Welche Bedenken gibt es an dem Vorgehen?

Staatsrechtler Degenhart sieht den Weg der Gesetzgebung kritisch, der seit dem Frühjahr oft in der Ministerpräsidentenkonferenz seinen Anfang nahm. „Kritisch ist dabei, dass zuletzt immer wieder rigide Maßnahmen beschlossen und dann von den Landesregierungen auf dem Verordnungsweg umgesetzt wurden“, meint Degenhart. „Dabei bleiben die Landesparlamente und der Bundestag außen vor. Das darf kein Dauerzustand werden“, warnt er.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort