Agent im Verteidigungsressort Ministeriumsspion saß in der Politik-Abteilung
Berlin · Der Nebel lichtet sich: Der unter Spionageverdacht stehende Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums hatte nach Medieninformationen durch seine Position weitreichenden Zugang zu internen Informationen und geheimen Dokumenten.

Was kann Berlin gegen die US-Spionage tun?
Wie "Spiegel Online" berichtet, war der Verdächtige seit rund einem Jahr als Länderreferent in der Abteilung Politik (Pol) eingesetzt und kümmerte sich dort um Fragen der internationalen Sicherheitspolitik. Der Spionageverdacht gegen den Mann stützt sich dem Bericht zufolge vor allem auf Beobachtungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), der für die Spionageabwehr bei der Bundeswehr zuständig ist. Der MAD habe den Mitarbeiter seit Monaten im Visier gehabt, weil er sich verdächtig häufig mit US-Kontaktleuten getroffen habe. Der MAD habe diese US-Geheimdiensten zugeordnet.
"Spiegel Online" zufolge sammelten die Fahnder bei ihren Beobachtungen auch Indizien, wonach der Ministeriumsmitarbeiter seinen US-Gesprächspartnern Informationen übergab. Aus Ermittlerkreisen verlautete demnach, dass "eine Reihe von Indizien" auf eine Spionagetätigkeit des Mannes schließen lasse. Bislang liege aber noch kein dringender Tatverdacht vor, der einen Haftbefehl begründen würde. Deswegen sei der Mann nach der Durchsuchung seines Ministeriumsbüros, seiner Wohnung außerhalb von Berlin und einer ausführlichen Befragung auf freien Fuß gesetzt worden.
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hatte am Mittwoch auf Anfrage mitgeteilt, dass es einen weiteren mutmaßlichen Spionagefall in Deutschland gibt. Es bestehe der Anfangsverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit gegen einen Beschuldigten, erklärte ein Sprecher der Behörde. Erst am Freitag war bekannt geworden, dass ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts (BND) im Verdacht steht, für die USA unter anderem den NSA-Untersuchungsausschuss bespitzelt zu haben. Mit dem Spionageverdacht wird sich am Donnerstag auch das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) in einer Sondersitzung befassen.
Abgeordnete fürchten Zerwürfnis
Eine Delegation des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags fürchtet nach Gesprächen in den USA zur Spionageaffäre ein dauerhaftes Zerwürfnis zwischen Berlin und Washington. Der Ausschussvorsitzende Norbert Röttgen (CDU) sagte am Mittwoch in der US-Hauptstadt, der durch die jüngsten Enthüllungen angerichtete Schaden sei erheblich, und es gebe auch keinerlei Anzeichen, dass sich die Haltung der Amerikaner in absehbarer Zeit ändere. Ein Spionage-Abkommen der USA mit irgendeinem Land hält Röttgen für unrealistisch.
Die Delegation war von Montag bis Mittwoch nach New York und Washington gereist, um unter anderem mit Spitzendiplomatin Victoria Nuland und der Vorsitzenden des Geheimdienst-Ausschusses, Dianne Feinstein, über die BND-Affäre zu sprechen. Besonders Feinstein, die wie andere Senatoren selbst zum Ziel von Spionage durch die CIA geworden sein soll, ist sich der Tragweite des Schadens bewusst. Doch um die umstrittenen Programme der US-Geheimdienste zu stoppen und umfassende Reformen durchzusetzen, fehlten der Demokratin die nötige Mehrheit im Kongress.
Röttgen lehnte eine Ausweisung von US-Geheimdienstlern in Deutschland, um die USA abzustrafen, als "völlig unsinnig" ab. Beschädigung, Vergeltung und das Vorgehen "Auge um Auge, Zahn um Zahn" seien keine Prinzipien intelligenter Außenpolitik, erklärte Röttgen bei einem Pressegespräch. Statt einer "Vergeltung von Dummheit mit Dummheit" müsse der Schaden soweit wie möglich begrenzt werden.
Der der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, sagte: "Ich glaube, die deutsch-amerikanische Freundschaft wird das Ganze überstehen - und muss es auch überstehen." Wichtiger sei, drängende Fragen wie die akute Bedrohung Israels anzupacken, etwa im Zuge einer gemeinsamen Nahost-Initiative von EU und USA.