Hartz IV Mindestlohn senkt Aufstockerzahl kaum

Berlin · Am 1. Januar 2015 wurde der Mindestlohn eingeführt. Doch die Zahl der Arbeitnehmer, die im Vollzeitjob auf Hilfe zum Lebensunterhalt vom Staat angewiesen sind, ist durch die Lohnuntergrenze so gut wie nicht gesunken.

 Auch der Mindestlohn hat wenig an der Zahl der Hartz-IV-Aufstocker geändert.

Auch der Mindestlohn hat wenig an der Zahl der Hartz-IV-Aufstocker geändert.

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Die Zahl der Arbeitnehmer, die in einem Vollzeitjob nicht genügend für den Lebensunterhalt ihrer Familie verdienen und deshalb auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen sind, ist seit Einführung des Mindestlohns Anfang 2015 um knapp 7000 und damit kaum nennenswert gesunken. Das geht aus Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor. Demnach gab es im Jahresdurchschnitt 2014 noch 211.700 Arbeitnehmer, die im Vollzeitjob die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen mussten. Im November 2017 war ihre Zahl mit 205.000 nur geringfügig niedriger.

Die Zahl der Hartz-IV-Aufstocker insgesamt sank im Vergleich zu der Zeit vor dem Mindestlohn um etwa 200.000 von knapp 1,3 Millionen im Jahr 14 auf 1,1 Millionen im Februar 2018. Der größte Teil dieser Differenz ist allerdings auf einen starken Rückgang der geringfügig Beschäftigten zurückzuführen, die zusätzlich Arbeitslosengeld II beziehen. Ihre Zahl sank um über 110.000.

Ein Hauptargument für die Einführung des Mindestlohns war, dass eine große Zahl von Arbeitnehmern mit Vollzeitjobs nicht genügend für ihren Lebensunterhalt verdienten und ihnen die gesetzliche Lohnuntergrenze helfen würde, dieses Ziel zu erreichen. Tatsächlich zeigt der Mindestlohn bisher aber nicht diese Wirkung. Eine Erklärung dafür ist, dass der Brutto-Stundenlohn tatsächlich deutlich über dem Mindestlohn liegen müsste, damit Betroffene aus der ergänzenden Sozialhilfe herausfinden könnten. Würde der Mindestlohn aber zu stark angehoben, dürften viele Arbeitnehmer mit geringer Produktivität wieder in die Arbeitslosigkeit rutschen, weil die Arbeitgeber nicht bereit wären, für sie deutlich höhere Mindestlöhne zu zahlen.

Dennoch ist das Argument nicht aus der Welt. Die Ge

werkschaften nutzen es, um in der Mindestlohnkommission ihren Einfluss geltend zu machen. Am heutigen Dienstag will die Kommission ihre Empfehlung zur Anfang 2019 anstehenden Erhöhung bekanntgeben. Das Gremium richtet sich vor allem nach dem Tarifindex des Statistischen Bundesamts, also einer Berechnung der Lohnentwicklung aufgrund hunderter Tarifverträge. Die Statistikbehörde hatte im Januar bekannt gegeben, dass der monatliche Index der tariflichen Stundenverdienste von Dezember 2015 bis Dezember 2017 um 4,8 Prozent gestiegen ist. Sehe die Kommission keine besonderen Umstände in der Konjunkturentwicklung, so das Statistikamt, werde sie der Tarifentwicklung folgen: Unter diesen Voraussetzungen müsste der Mindestlohn ab dem 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro ansteigen. Die Kommission soll im Rahmen einer Gesamtabwägung prüfen, welche Höhe einen angemessenen Mindestschutz für die Beschäftigten bietet, faire Wettbewerbsbedingungen ermöglicht und die Beschäftigung nicht gefährdet.

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