Fragen und Antworten Mindestlohn bringt Staat 2,2 bis drei Milliarden Euro mehr ein

Berlin · Der Bundestag hat mit großer Mehrheit die Lohnuntergrenze beschlossen. Sie soll alle zwei Jahre steigen. Welche Auswirkungen hat das konkret? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Millionen Geringverdiener können mit einer Anhebung ihrer Stundenverdienste rechnen: Ab dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Der Bundestag verabschiedete die Einführung der Lohnuntergrenze gestern mit großer Mehrheit: Von 601 abgegebenen Stimmen waren 535 dafür. Es gab fünf Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen aus der Union. Auch 59 Abgeordnete der Linken enthielten sich und forderten einen Mindestlohn von zehn Euro. SPD und Grüne stimmten für das Gesetz.

Wie viele Menschen werden vom neuen Mindestlohn profitieren?

Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums werden 3,7 Millionen Arbeitnehmer durch den Mindestlohn künftig mehr verdienen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt ihre Zahl auf 4,5 Millionen. Für viele andere Geringverdiener gelten bereits höhere Branchen-Mindestlöhne.

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Mindestlohn?

Die Personalkosten der Arbeitgeber dürften 2015 laut dem Arbeitsministerium um 9,6 Milliarden Euro steigen. Wie viele Jobs im Niedriglohnsektor der Mindestlohn bedroht, wird davon abhängen, inwieweit es Unternehmern gelingt, für ihre Produkte und Dienste höhere Preise durchzusetzen. Das Münchner Ifo-Institut hatte die drohenden Jobverluste mit bis zu 1,9 Millionen beziffert. Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, rechnet mit dem Verlust von mehreren Hunderttausend Stellen.

Wie wirkt der Mindestlohn auf die öffentlichen Haushalte?

"Wenn keine Arbeitsplätze verloren gehen, spart der Staat durch die Einführung des Mindestlohns jährlich zwischen 690 und 890 Millionen Euro an Arbeitslosengeld-II-Ausgaben", sagte Jürgen Wiemers, Experte am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Der Mindestlohn werde aber nur rund 60.000 Aufstockern aus dem Hartz-IV-Bezug heraus helfen.

Durch den Mindestlohn erhöhten sich die Einnahmen in der Sozialversicherung um 2,9 bis 4,5 Milliarden Euro jährlich, solange hohe Jobverluste ausblieben. "Bund, Länder und Gemeinden werden mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr mehr Einkommensteuer einnehmen", sagte Wiemers voraus. Da aber die Personalkosten der Arbeitgeber stiegen, würden diese weniger Steuern zahlen. "Im Saldo könnten die öffentlichen Haushalte durch den Mindestlohn immer noch um jährlich 2,2 bis drei Milliarden Euro entlastet werden, wenn keine Beschäftigung verloren geht", so Wiemers.

Welche Ausnahmen gelten?

Der Mindestlohn gilt nicht für Jugendliche unter 18 Jahren, Auszubildende und Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung. Werden bis Jahresende noch abweichende Tarifverträge ausgehandelt, können Branchen-Mindestlöhne noch bis Ende 2016 unter 8,50 Euro liegen. Pflichtpraktika und bis zu dreimonatige freiwillige Praktika während der Ausbildung oder des Studiums sind ebenfalls ausgenommen. Zeitungszusteller erhalten 75 Prozent des Mindestlohns 2015, 85 Prozent 2016 und 100 Prozent ab 2017. Für Saisonkräfte gilt der Mindestlohn schon ab 2015, sie sind aber für 70 Tage von den Sozialabgaben befreit, nicht mehr nur für 50 Tage.

Wer legt die Lohngrenze fest?

Eine Kommission mit Gewerkschaftern und Arbeitgebervertretern handelt die Höhe des künftigen Mindestlohns aus. Er wird erstmals 2017 und dann alle zwei Jahre angehoben. Dabei muss die Tariflohnentwicklung berücksichtigt werden.

Wer kontrolliert die Einhaltung des Mindestlohns?

Dafür ist schon jetzt der Zoll zuständig. Er soll weitere 1600 neue Kontrolleurs-Stellen erhalten.

(mar)
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