Daten zur Migration Kaum Mittelmeer-Flüchtlinge in Deutschland

Berlin · Unter den fünf Hauptherkunftsländern der registrierten Flüchtlinge ist nur ein afrikanisches Land, Syrer bleiben aktuell an der Spitze.

Seit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz mit Verweis auf 93.000 Mittelmeer-Flüchtlinge aus Italien die Warnung vor einer Wiederholung der Entwicklung von 2015 zum Wahlkampfthema gemacht hat, wachsen die Befürchtungen vor einer neuen Flüchtlingsdynamik. Bislang sind mit knapp 100.000 Flüchtlingen seit Jahresbeginn so viele Menschen nach Deutschland gekommen wie im Jahr 2015 in einem Monat.

Zudem belegt ein unserer Redaktion vorliegendes internes "Lagebild" der Bundesregierung, dass derzeit nur sehr wenige Mittelmeer-Flüchtlinge in Deutschland ankommen. Nach wie vor reisen die meisten Flüchtlinge über die klassische Balkanroute — wenn auch in stark verminderter Zahl im Vergleich zum Jahr 2015.

Unter den afrikanischen Flüchtlingen in Deutschland vor allem Eritreer

Die Top-Nationalitäten auf dem Seeweg nach Italien waren seit Jahresbeginn bis Mitte Juli Nigeria (14.552), Bangladesch (8269), Guinea (7872), Elfenbeinküste (7473) und Gambia (5106). Unter den wichtigsten Herkunftsländern der in Deutschland registrierten Flüchtlinge tauchen aus Afrika dagegen nur Eritreer auf, die mit 5553 Menschen lediglich 6,4 Prozent des Migrationsgeschehens ausmachen.

In diesem Jahr kamen bislang vor allem Syrer (18.334), Afghanen (8550), Iraker (8406) und Iraner (4338). Die Türkei liegt unter den Hauptherkunftsländern mit 3141 Flüchtlingen inzwischen auf Rang acht. Diese Migranten nutzen erfahrungsgemäß aber nicht Schlepper, die Flüchtlinge auf Booten vor allem von der libyschen Küste aus ins Mittelmeer Richtung Europa schicken.

Internes Lagebild noch vor Schulz' Wahlkampf-Manöver erstellt

Als Beispiel hält das regierungsinterne Lagebild den vergangenen Mittwoch fest. An diesem Tag kamen 125 Iraker, 100 Syrer, 48 Afghanen und 32 Somalier. Auch 37 Menschen aus den Westbalkanstaaten gelangten in die Statistik der Erstverteilung von Asylbegehrenden. Das waren sechs Prozent. Zu Beginn der Flüchtlingsdynamik war noch mehr als jeder Zweite vom Westbalkan gekommen.

Für diesen Beispieltag werden auch bundesweit 81 freiwillige Ausreisen notiert — kein Spitzenwert. Denn für den 18. Juli werden 104, für den 14. Juli 116 und für den 13. Juli sogar 220 freiwillige Ausreisen an einem Tag festgehalten.

Die interne Statistik wurde erstellt, bevor SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz die Warnungen vor einer Wiederholung der Flüchtlingsdynamik von 2015 in den Wahlkampf zog und insbesondere auf die Situation in Italien hinwies, wo in diesem Jahr bereits 93.292 Flüchtlinge anlandeten. Im gesamten vergangenen Jahr waren es 161.395. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums nannte es begrüßenswert, dass Schulz dieses Thema entdecke. Er verwies jedoch auf die unterschiedlichen Dimensionen: Was Italien in den ersten sechseinhalb Monaten an Flüchtlingen aufgenommen habe, sei im Jahr 2015 in Deutschland mitunter innerhalb einer Woche angekommen.

Scharf reagierte die CSU auf die Mahnungen von Schulz an die Adresse der Bundesregierung. Es seien die SPD und Schulz gewesen, die mehr Abschiebungen, mehr sichere Herkunftsstaaten, Grenzkontrollen und Transitzonen "vehement blockiert" hätten. CDU-Innenexperte Stephan Harbarth kritisierte, es sei nicht besonders glaubwürdig, vor einer neuen Flüchtlingskrise zu warnen und gleichzeitig dafür zu werben, dass Flüchtlinge, die bereits in Deutschland leben, ihre Familien wesentlich leichter nach Deutschland holen können sollen.

Schulz hatte am Wochenende davor gewarnt, dass Deutschland eine Situation wie 2015 "nicht mehr verkraften" werde. Er kritisierte dabei Bundeskanzlerin Angela Merkel, die seinerzeit aus "gut gemeinten humanitären Gründen" die Grenzen zu Österreich geöffnet, diesen Schritt aber leider nicht mit den Partnern abgesprochen habe. Sie müsse sich nun entschiedener für ein europäisches Einwanderungsrecht und eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge einsetzen.

Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer unterstrich, dass die gesamte Bundesregierung daran arbeite, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederhole. "Aber das Thema ist komplex und nicht über Nacht erledigt", fügte Demmer hinzu. Die von der EU 2016 zugesagte Umsiedlung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien läuft weiterhin äußerst schleppend. Inzwischen seien aus diesem Kontingent 7615 Flüchtlinge aus Italien "umgesiedelt", teilte die Bundesregierung mit, davon habe Deutschland 3026 übernommen.

Nach Angaben des NRW-Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration sind die Zugänge von Flüchtlingen nach Nordrhein-Westfalen derzeit "stabil". Danach wurden in den ersten sechs Monaten im Schnitt 2700 Flüchtlinge monatlich per Erstverteilung ins Land gebracht. Von Anfang des Jahres bis zum letzten Wochenende kamen danach 18.552 Flüchtlinge in das bevölkerungsreichste Bundesland — die meisten im Januar (3037), die wenigsten im Juni (2401). In den ersten drei Juli-Wochen waren es 1904.

(may-)
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