Illegale Migration Die Union wartet und wartet auf den Kanzler

Analyse | Berlin · Die Union sieht Kanzler Olaf Scholz jetzt in der Pflicht, auf ihre Migrationsvorschläge einzugehen. Sie hofft, dass dies nach den Landtagswahlen geschieht. Aus der SPD heißt es freilich, erst mal müsse klar sein, wer in der Union das Sagen habe - „Merz oder Wüst?“

Die Union wartet weiterhin auf eine Reaktion des Kanzlers, gemeinsam in der Migrationspolitik zu handeln.

Die Union wartet weiterhin auf eine Reaktion des Kanzlers, gemeinsam in der Migrationspolitik zu handeln.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Manch einer in der Union zählt bereits mit. Der Dienstag war demnach Tag 20 nach der Verkündung des Deutschland-Paktes durch Olaf Scholz (SPD). Daraufhin kam es seinerzeit zügig zum Treffen des Kanzlers mit Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU), ohne greifbares Ergebnis allerdings. Seitdem gilt: Die Union wartet und wartet auf den Kanzler und weiß auch, dass sich vorerst nichts tun wird. Weil zwei wichtige Landtagswahlen anstehen.

Ungeduldig ist man trotzdem. Zwölf Punkte hat die Fraktion zur Begrenzung vor allem der illegalen Migration auf den Tisch gelegt. Der Deutschland-Pakt soll nach dem Willen von CDU/CSU einer zur Lösung der derzeitigen massiven Zuwanderungsprobleme werden. Doch aus dem Kanzleramt ist seit dem Treffen mit Merz nichts mehr zu hören gewesen, still ruht der Scholz-See.

Dabei sei der Regierungschef jetzt gefragt, so Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU), zum einen auf das Angebot der Union zur Kooperation zu reagieren, zum anderen den „vielstimmigen Chor“ in seiner Koalition zu orchestrieren. „Weil Frau Faeser es nicht gelingt, Struktur in die Debatte zu bringen“, spart Frei nicht mit Kritik an der Innenministerin. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betont ebenfalls, Scholz müsse jetzt zu seinem Wort stehen. Zu einem Fahrplan gehöre zuerst, dass anerkannt werde, „dass es eine Belastungsgrenze in Deutschland gibt“.

Auch aus der größten Regierungspartei SPD habe man bisher von „offizieller Seite“ keine Reaktion auf den Vorschlag der Zusammenarbeit erhalten. Frei räumt zwar ein, dass es „eine gewisse Entwicklung in der Rhetorik bei SPD und Grünen“ gegeben habe. Bei der Debatte im Bundestag vergangene Woche wurden aber die Vorschläge der Union seitens der Ampel kaum goutiert, wie die Ausweitung sicherer Herkunftsländer, schnellere Abschiebungen oder Zurückweisungen an den Grenzen. Nun will man mit einer Aktuellen Stunde in dieser Woche zum „Schweigen des Kanzlers“ den Druck im Parlament aufrechterhalten.

Allerdings weiß man auch bei CDU/CDU: Man wird eigentlich nicht gebraucht. Die Vorschläge könnte die Ampel weitestgehend mit ihrer Mehrheit allein umsetzen, wenn sie denn wollte. Man sei aber auch als Opposition an „wirkungsvollen Lösungen“ interessiert. Das Thema brenne den Menschen überall unter den Nägeln. Gleichzeitig befeuert die Union so die Konflikte in der Ampel im Umgang mit der Migration, ein gewollter Effekt. Nun hofft sie auf eine politische Dynamik. Der Blick wendet sich daher auf die beiden Landtagswahlen in Hessen und Bayern am 8. Oktober.

In Bayern könnte sich die SPD marginalisieren, in Hessen mit Mühe Platz zwei erringen. „Das wird den Druck auf den Kanzler erhöhen“, ist man sich sicher. Und wenn dann noch die FDP aus beiden Landtagen fliegen sollte, dürften die Turbulenzen in der Ampel noch größer werden. Vor den Landtagswahlen glaubt man freilich nicht an eine Bewegung seitens des Regierungslagers.

In der SPD traut man der Union jedoch nicht. Zwar begrüße man, „dass CDU und CSU zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit sind“, so Fraktionsvize Dirk Wiese zu unserer Redaktion. Man wisse aber nicht, wer was wolle und wer für die Union spreche. „So ist weder klar, ob die Union die Zombie-Debatte um eine willkürliche Obergrenze wirklich wiederbeleben möchte“, sagt Wiese. „Noch ist klar, wer sich in der CDU durchsetzt: Merz und Wüst unterscheiden sich in ihren Haltungen doch wesentlich“, ergänzt der Fraktionsvize. „Insofern ist eine gemeinsame zeitnahe Lösung zwischen Bundeskanzler und Ministerpräsidenten sicherlich zielführender.“ Das wäre dann aber wohl erst im November, wenn die nächste MPK stattfindet.

(has)
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