Neue Debatte Migranten doppelt so häufig auf Sozialhilfe angewiesen

Berlin (RPO). Sozialmissbrauch, spätrömische Dekadenz, härtere Strafen für angeblich Arbeitsunwillige. Der Ton in der Debatte um Hartz-IV-Gerechtigkeit wird schärfer. Nun rückt auch die Gruppe der Migranten in den Mittelpunkt der Diskussion. Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hinterfragt, warum Zuwanderer und ihre in Deutschland geborenen Nachkommen doppelt so häufig auf Sozialhilfe angewiesen sind wie der Rest der Bevölkerung.

Pro&Contra: So spaltete Westerwelle Deutschland
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Foto: AP

Di Lorenzo beruft sich dabei auf eine Studie, die vor drei Monaten vom Bundesarbeitsministerium veröffentlicht wurde. Zu erklären, so schreibt der Chefredakteur in der "Zeit", sei dies zum einen damit, dass Migranten wegen ihrer oft geringen Qualifikation wenig Chanchen auf dem Arbeitsmarkt hätten. "Andererseits aber drängt sich der Verdacht auf, dass unser in Deutschland so angefeindetes Sozialsystem immer noch attraktiv genug ist, dass es eine massenhafte Einwanderung in die sozialen Netze auslöst - was das Prinzip der Einwanderung, in einem fremden Land durch eigener Hände Arbeit sein Glück zu finden, auf den Kopf stellte."

Der Studie zufolge haben 28 Prozent aller Hartz-IV-Empfänger ausländische Wurzeln, in einigen Großstädten auch deutlich mehr. Der Migranten-Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt dagegen knapp 19 Prozent.

Keine Fehlentwicklungen verschweigen

Die Empörung über Westerwelles Tiraden zu Hartz IV darf nach Einschätzung di Lorenzos kein Grund sein, einige Fehlentwicklungen zu verschweigen. Dies alles verdiene einer ruhigen und kenntnisreichen Prüfung, gegebenenfalls auch einer Kurskorrektur. "Kein vernünftiger Mensch stellt die Hilfe als solche in Frage. Aber die Bürger wollen sicher sein, dass die Unterstützung wirklich den Bedürftigen zugute kommt", schreibt di Lorenzo.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte in der "Bild"-Zeitung Sanktionen gegen Ausländer, die Sprach- oder Integrationskurse abbrechen oder gar nicht erst antreten wollen. "Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Bildung, Integration und guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb ist es völlig inakzeptabel, dass gut 20 Prozent der Ausländer den verpflichtenden Sprach- oder Integrationskurs abbrechen oder gar nicht erst antreten", zitiert ihn das Blatt. In solchen Fällen müssten "die gesetzlichen Sanktionen auch tatsächlich verhängt werden", sagte Bosbach weiter.

Hartz-IV-Schelte

Der FDP-Chef hatte vergangene Woche kritisiert, die staatlichen Leistungen für Arbeitslose fielen im Vergleich zu Niedrigverdienern zu hoch aus. Für Empörung sorgte vor allem sein Vergleich von "anstrengungslosem Wohlstand" mit "spätrömischer Dekadenz". Die Kritik hätte niemand zur Kenntnis genommen, wenn er sie "in Form eines diplomatischen Bulletins verkleidet" hätte, verteidigte Westerwelle seine Wortwahl. "Ich spreche nur aus, was in Wahrheit alle Politiker wissen, aber sie trauen sich nicht, es auszusprechen."

Nordrhein-Westfalens FDP-Landeschef Andreas Pinkwart sprach sich unterdessen für ein insgesamt härteres Vorgehen gegen Leistungsverweigerer aus. "Wenn wir jetzt die Betreuung in den Job-Centern weiter verbessern, was wir ja vorhaben, dann müssen die Bezüge arbeitsfähiger Hartz-IV-Empfänger, die zumutbare Arbeit verweigern, auch konsequenter gekürzt werden", sagte Pinkwart unserer Redaktion. Wer arbeitsfähig sei, "sollte auf staatliche Hilfe grundsätzlich nur Anspruch haben, wenn er auch zur Gegenleistung bereit ist", betonte der Wissenschaftsminister.

Die Bundesagentur für Arbeit hatte eingeräumt, dass die Job-Center oft nur zögerlich mögliche Strafen gegen Leistungsverweigerer verhängten. Nimmt ein "Hartz IV"-Empfänger eine Arbeit nicht an, können seine Bezüge für drei Monate um 30, beim zweiten Mal um 60 Prozent gekürzt werden.

(DDP/pegn)
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