Union ringt um Migrationspolitik Tête-à-Tête mit den „Merkelianern“
Analyse | Berlin · Mit seinen Äußerungen zu den „kleinen Paschas“ hat Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) die Debatte über die Migrationspolitik angeheizt. Vor allem in der Union selber. Eine „fraktionsoffene Sitzung“ soll nun Erkenntnisse für den künftigen Kurs bringen.
In der Migrationspolitik hatte die Union schon einmal erheblichen Klärungsbedarf. Anfang 2019 veranstaltete die damalige Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ein viel beachtetes „Werkstattgespräch“. Insbesondere, um den Umgang mit der Flüchtlingskrise aufzuarbeiten. Seinerzeit war Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht sonderlich begeistert darüber. Geschichte wiederholt sich nun – zumindest ein bisschen.
Wieder ist es die Migrationspolitik, die die CDU und auch die Bundestagsfraktion von CDU/CSU in Wallung bringt. Welcher Kurs ist der richtige? Der harte, auch in der Sprache, der klar die Defizite benennt und vor allem sagt, was nicht gehen darf? Siehe Staatsbürgerrecht. Oder einer, der eher einladend ist, weil Einwanderung aufgrund des Mangels an Arbeitskräften dringend benötigt wird? Siehe Fachkräftezuwanderung. Das sind die zwei Pole, zwischen denen sich die Union im Moment eher orientierungslos bewegt.
Eine „fraktionsoffene“ Diskussionsrunde an diesem Dienstagabend soll nun mehr Klarheit bringen, vor allem mehr Erkenntnisse. Ohne Vorfestlegungen und ohne Beschluss am Ende. Jeder der 197 Unions-Abgeordneten kann, muss aber nicht teilnehmen. Das Thema lautet „Asylmigration und Integration“. Bei der Positionsbestimmung helfen werden drei Experten: Der Präsident des Bundesamtes für Migration (BAMF), Hans-Eckhard Sommer, der Migrationsforscher Daniel Thym von der Universität Konstanz und der Sozialstaatsexperte Bernd Raffelhüschen von der Uni Freiburg. Guter Rat kann nicht schaden. Denn in einigen Wochen will die Fraktionsführung ein Positionspapier vorlegen. Weitere solcher Runden zu Fragen der Migrationspolitik sollen überdies folgen.
Nicht erst, aber vor allem seit den Silvesterkrawallen in Berlin und den Äußerungen von Parteichef Friedrich Merz in einer Talksendung über „kleine Paschas“ in Migrantenfamilien brodelt es in der Union. Wobei man sagen muss, dass Merz sich in der Sendung differenzierter geäußert hat - der „Pascha“-Satz hängt ihm freilich nach. Dass Klärungsbedarf besteht, belegen auch jüngste Äußerungen etwa von Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther.
Er hatte in einem Interview eine offenere Haltung seiner Partei gefordert. „Die CDU ist gut beraten, wenn sie Zuwanderung als etwas Positives begreift“, so Günther. Es gehe nicht darum, Schwierigkeiten auszublenden. Man müsse etwa mit Blick auf die Krawalle an Silvester Klartext sprechen, sich aber gleichzeitig sensibel genug ausdrücken, damit niemand verletzt werde. Deutschland müsse weltoffen sein, betonte der Ministerpräsident.
Günthers Einlassungen werden nun teilweise als Abgrenzung zu Merz verstanden. Und als Plädoyer dafür, in der Migrationsfrage den früheren „Merkel-Kurs“ nicht aufzugeben. Dass freilich bereits ein Riss durch die Bundestagsfraktion geht, wird vehement bestritten. „Das sehe ich nicht“, so jemand aus der Führung. Fakt ist aber auch: Unlängst wollten 20 Unionsabgeordnete das Chancen-Aufenthaltsgesetz der Ampel nicht ablehnen - sie stellten sich bei der Abstimmung im Bundestag gegen die von der Fraktionsspitze ausgegebene Marschrichtung und enthielten sich. Viele davon ehemalige „Merkelianer“. Genau auf diese Gruppe wird nun genau geschaut.
Die Wortwahl des Vorsitzenden findet jedenfalls in der Fraktion nicht nur Zustimmung. Verwiesen wird darauf, dass man neben Frauen und jungen Menschen ebenso Wähler aus dem migrantischen Milieu gewinnen müsse, um bei der nächsten Bundestagswahl erfolgreich zu sein. Auch deshalb sollen nun die Haltungen und der Kurs in der Migrationspolitik geklärt werden. „Ich glaube, dass wir das als Fraktion gut geeint hinkriegen“, heißt es aus dem Kreis der Führung. Man wird sehen.