CDU Friedrich Merz auf den Spuren von Donald Trump

Berlin · Der einstige Unionsfraktionschef attackiert wütend und emotional seine Rivalen um den Parteivorsitz. Das verschreckt selbst eigene Anhänger und bringt die CDU in Bredouille.

 Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Parteivorsitz.

Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Parteivorsitz.

Foto: imago images/photothek/Thomas Imo/Imago Images

Selten war Angela Merkel sichtlich so glücklich. Sie drückte Annegret Kramp-Karrenbauer auf offener Bühne und strahlte. Sie hatten gewonnen. Die Saarländerin war soeben von den CDU-Delegierten zu Merkels Nachfolgerin als Parteichefin gewählt worden. Hauchdünn ihr Vorsprung vor Friedrich Merz, aber Sieg ist Sieg. Die große Volkspartei hatte sich tatsächlich wieder für eine Frau entschieden - und für Merkels Kurs der Mitte. An diesem Dezember-Tag in Hamburg vor zwei Jahren macht Merkel aus ihrer Freude ausnahmsweise keinen Hehl. Der gern polarisierende Merz war nie ihr Fall.  

Nur, losgeworden ist sie ihn nicht. Denn Kramp-Karrenbauer hielt nicht, was Merkel sich von ihr versprach. Die mögliche Kanzlerkandidatin warf im Februar hin und seither ist Merkels Erbe neu umkämpft. Und weil die CDU-Spitze den in sechs Wochen geplanten Parteitag am Montag absagte, hat der Kampf nun erst richtig begonnen – und die Partei ein Problem.

 Der 64-jährige Merz hat wenig Scheu, Emotionen zu zeigen. Wütend über das „Partei-Establishment“ ist er, dass der Wahlparteitag verschoben wurde. Sein Rivale, NRW-Ministerpräsident und CDU-Vize Armin Laschet, habe die Devise ausgegeben, dass er mehr Zeit für seine „Performance“ brauche. Die explodierenden Corona-Infektionen lässt Merz als Argument gegen einen Kongress mit 1000 Delegierten nicht gelten. Solle der Parteitag doch digital ablaufen, sagt er und wischt rechtliche Hürden beiseite. Das ist Trump-Stil. Und er erzählt, ein Teil der Delegierten müsse ab dem 7. Dezember neu gewählt werden, was auch nicht dienlich in der Corona-Krise sei. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak widerspricht. Wenn Delegierte aufgrund der Infektionslage nicht neu gewählt werden könnten, blieben sie im Amt.

 Merz erklärt live in ARD und ZDF, die „gesamte Hauptstadtpresse“, die „deutsche Öffentlichkeit“ wüssten, dass er „nicht der Liebling eines Teils der Parteiführung“ sei. Und dann verheddert er sich in seiner Argumentation. Der Parteitag wäre nicht verschoben worden, hätte Laschet so gute Umfragewerte wie er, sagt Merz. Andererseits: Die Kandidaten würden zerschlissen. Gerade hatte er noch gesagt, seine Werte blieben weiter gut. Und schließlich, es werde womöglich noch ein Überraschungskandidat präsentiert. Das werde systematisch vorbereitet. Jetzt hält man den Atem an. Was kommt jetzt?

Eine „WhatsApp-Gruppe“ einiger CDU-Mitglieder gebe es da, die Gesundheitsminister Jens Spahn allen anderen vorzögen, erzählt Merz als handele sich es um einen bedrohlichen Geheimbund. „Diese Gruppe gibt es. So, und bevor das anfängt, in dieser Partei um sich zu greifen, sollten die demokratischen Mechanismen wieder funktionieren. Und Demokratie in einer Partei heißt: Entscheidung durch Wahlen und zwar durch Delegierte auf einem Bundesparteitag, auch digital.“ Demokratie in einer Partei heißt allerdings auch, dass sich noch auf dem Parteitag Kandidaten melden können.

Offenbar fürchtet Merz den sehr viel jüngeren Spahn aus dem Team Laschet. Mit seinen umstrittenen Interview-Äußerungen, dass Homosexualität Privatsache sei – „solange es nicht Kinder betrifft“, hatte Merz eine Welle der Empörung ausgelöst. Viele deuteten seine Bemerkung als bewussten Hieb gegen Spahn. Merz habe den Minister, der mit einem Mann verheiratet ist, in die Nähe von Pädophilen gebracht, hieß es. Schließlich hatte Merz auf die Frage geantwortet, ob er Vorbehalte gegen einen homosexuellen Kanzler hätte. Dass es Spahns Traum ist, Kanzler zu werden, weiß Merz ja nur zu gut. Und Spahn hat seine Fans in der CDU.

Selbst CDU-Mitglieder in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – dort gibt es Merz-Hochburgen und dort wird Mitte März gewählt – sind über den einstigen Bundestagsfraktionschef erschrocken. Sie hoffen nun auf einen Parteitag nach Ostern. Personalquerelen um die Führung, so sagen sie, seien das Letzte, was sie im Wahlkampf gebrauchen können.    

Laschet hat auf den Vorwurf, er stecke hinter der Verschiebung des Parteitags, um seine Ausgangssituation zu verbessern, öffentlich nicht reagiert. Er setzt darauf, dass die Menschen sich selbst ausmalen können, was es für den Ministerpräsidenten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes bedeutet, die Corona-Krise in den Griff zu bekommen. Scheitert er damit, wird er seine „Performance“ kaum verbessern, sondern seine Chancen bei der CDU-Vorstandswahl verschlechtern.

Die Absage des CDU-Parteitags hat sogar Auswirkungen auf die Linkspartei. Wenn die CDU ihren Kongress absagt, kann die Linke schlecht am Wochenende in Erfurt zusammenkommen. Auch sie braucht einen neuen Vorstand. Der große Unterschied: Über die Absage herrscht Einigkeit und bereits am Samstag soll über drei mögliche Alternative entschieden werden: Dezentraler Parteitag, digitaler Parteitag mit anschließender Briefwahl oder Verschiebung ins nächste Jahr in der Hoffnung, doch einen Präsenzparteitag abhalten zu können. Die Wahl der Kandidatinnen Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow als erste weibliche Doppelspitze der Partei gilt als sicher. Die Wahl des neuen CDU-Chefs dürfte hingegen wieder knapp ausgehen. Die Partei bliebe gespalten.

(kd)
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