Miese Stimmung bei Union und FDP Merz: "Das bricht der CDU das Rückgrat"

Düsseldorf (RPO). Zeitenwende in der deutschen Politik: Die desaströse Niederlage der Liberalen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz lässt die Führungsdebatte über Parteichef Guido Westerwelle wieder hochkochen. Die Verluste der CDU im Stammland Baden-Württemberg setzen Kanzlerin Angela Merkel unter Druck.

 Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, warnt vor den Folgen der Griechenland-Krise.

Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, warnt vor den Folgen der Griechenland-Krise.

Foto: ddp, ddp

So fordert der frühere Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz (CDU)Konsequenzen von Merkel. "Das bricht der CDU das Rückgrat", so Merz. Die Wähler hätten Merkel ihre abrupte Wende in der Atompolitik nicht geglaubt. "Wer sich auf eine Panikwelle setzt, darf sich nicht wundern, wenn er davon überrollt wird", sagte Merz.

Der CSU-Wirtschaftsflügel macht die Kanzlerin für die herbe Wahlniederlage in Baden-Württemberg verantwortlich und fordert Konsequenzen. Bei der Partei ist die Stimmung denkbar schlecht. "Was aus Berlin in den vergangenen Monaten kam, hat erst zur Irritation der eigenen Leute geführt und dann die Wähler vergrault. Das gilt für die Steuerpolitik, die Wirtschaftspolitik, die Europapolitik und auch die Bündnispolitik", sagte der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, gegenüber "Handelsblatt Online".

"Die Verunsicherung war im Wahlkampf in Baden-Württemberg mit Händen zu greifen", so Michelbach. An der Südwest-CDU habe das aber nicht gelegen. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland sei das Wahlergebnis der Südwest-CDU "ein Tiefschlag".

"Kataschtrofe"

In der CDU-Zentrale fasst am Abend der CDU-Politiker Georg Brunnhuber das Wahlergebnis in einem Wort zusammen: "Kataschtrofe!" Während die Mittelständler mal wieder eine Bestätigung für ihre Kritik am Kurs von Parteichefin Angela Merkel sehen und die versäumte Pflege der Stammwähler beklagen, schwärmen Parteivize Annette Schavan und Fraktions-Geschäftsführer Peter Altmaier aus, um die Stimmung aufzufangen. "Kataschtrofen"-Helfer sozusagen.

Die Politik fürs Ländle sei gut gewesen, aber so kurz nach "Japan" habe die CDU unter Spitzenkandidat Stefan Mappus ihre Position zum Energie-Thema nicht mehr vermitteln können, lautet die eine Botschaft. Die andere ist die ständig wiederholte Beteuerung, dass die CDU die Botschaft der Wähler verstanden habe. "Vor Japan hatten wir noch deutlich über 40", erinnert sich ein CDU-Stratege. Schuld ist also die Atom-Angst der Menschen.

Und als wäre es ein besonderer Trost, sagen einige, dass die ersten Prognosezahlen für die CDU im Ländle ja noch schlimmer waren. Mit Mappus' schlingerndem Atomkurs vom härtesten Laufzeitverlängerer zum entschiedensten Sofort-Abschalter habe man aber keinen Blumentopf gewinnen können. Und der "Achtungserfolg" Julia Klöckners in Rheinland-Pfalz lässt einige Konservative am Abend doch noch lächeln.

Schlapper Applaus für Westerwelle

Bei der FDP gibt ebenfalls hitzige Debatten. Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki etwa fordert einen Kurswechsel und personelle Konsequenzen in der Bundespartei. "Die FDP muss sich inhaltlich und personell anders aufstellen als bisher", sagte Kubicki dem "Hamburger Abendblatt". Verantwortlich für das schlechte Abschneiden der FDP machte Kubicki insbesondere Bundestags-Fraktionschefin Birgit Homburger.

"Der Fraktionsvorsitz ist komplett fehlbesetzt", sagte Kubicki dem Blatt. Homburger habe die "entscheidende Aufgabe, das Bild der FDP mitzuprägen, hundsmiserabel erfüllt". Im Bundesvorstand, der am Montag tagt, werde es aber auch eine "muntere Debatte" über die gesamte Führungsspitze um Parteichef Guido Westerwelle geben.

Im Thomas-Dehler-Haus, der Parteizentrale der FDP, macht das Wort von der "neuen Führung" schon am Wahlabend die Runde, bevor Parteichef Guido Westerwelle die Bühne betritt. Erst um kurz nach 19 Uhr stellt er sich der Öffentlichkeit. Der Applaus ist schlapp. "Das ist ein schwerer Abend für uns. Wir sind enttäuscht", sagt Westerwelle, umringt von düster dreinblickenden Präsidiumsmitgliedern. Rasch begründet der FDP-Chef die Verluste seiner Partei mit der Anti-Atomkraft-Stimmung im Land. Die Wahlen seien eine Abstimmung über die Zukunft der Energiepolitik gewesen, sagt er. Und: "Wir haben verstanden."

Brüderle beklagt fehlende "klare Linie"

Damit gibt der FDP-Chef die Richtung vor. Der Kursschwenk der Regierung nach der Reaktorkatastrophe in Japan, die vorübergehende Stilllegung von sieben Atommeilern, kann nur zu einem beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie führen. "Ohne das Abrücken von der Atomkraft wäre die Niederlage noch schlimmer ausgefallen", sagt ein Landeschef.

In Mainz sieht das Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, zugleich Westerwelle-Stellvertreter und Vorsitzender der mit knapp vier Prozent soeben aus dem Landtag gewählten Rheinland-Pfalz-FDP, anders. Brüderle beklagt die fehlende "klare Linie" in der Bundesregierung. Brüderles öffentlich gewordene Äußerungen vor Wirtschaftsführern, das Atom-Moratorium sei eine nicht rationale Entscheidung vor den Landtagswahlen gewesen, hatten zwei Tage vor der Wahl Unruhe ausgelöst. Nun bahnt sich ein Machtkampf zwischen dem FDP-Wirtschaftsflügel mit Brüderle und Westerwelle an.

Ein Umbruch an der Spitze ist nach Ansicht der meisten Liberalen unausweichlich. FDP-Vize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger spricht von einer "personellen und inhaltlichen Neuaufstellung", die am 11. April bei der Sitzung des Präsidiums mit den Landeschefs beraten werden müsse. "Die Frage ist nur, wer geopfert wird", sagt ein Mitglied der Fraktionsführung. Zwei Szenarien werden diskutiert, die "kleine" und die "große Lösung".

In der kleinen Lösung würden die erfolglosen Landesvorsitzenden Birgit Homburger (Baden-Württemberg) und Rainer Brüderle (Rheinland-Pfalz) nicht nur ihre Parteiposten, sondern auch ihre Berliner Ämter aufgeben müssen. Als Alternative zur Fraktionsvorsitzenden Birgit Homburger wird FDP-Generalsekretär Christian Lindner gehandelt. Wirtschaftsminister Brüderle könnte durch Gesundheitsminister Philipp Rösler ersetzt werden, der als designierter Parteivize im neuen Amt seine Sympathiewerte steigern könnte. Röslers Staatssekretär Daniel Bahr, einflussreicher NRW-FDP-Vorsitzender, würde zum Ressortchef aufrücken. Ein Aufstand des Wirtschaftsflügels, der die Misere eher dem Wackelkurs Westerwelles in der Euro-Krise und der Atompolitik anlastet, wäre wohl die Folge. Brüderle und Homburger dürften sich zudem nicht einfach aus dem Amt drängen lassen.

Die "große Lösung" zielt auf Westerwelle. Er soll dazu gedrängt werden, auf dem Bundesparteitag der FDP im Mai nicht erneut als Vorsitzender anzutreten. Als möglicher Nachfolger gilt Rösler. Die junge FDP-Garde Bahr, Rösler und Lindner soll Westerwelle zum Rückzug bewegen. Ob sie den Willen dazu hat, darf bezweifelt werden. "Wer jetzt die Partei übernimmt, wird verbrannt", sagt ein Vorstand.

(RP/AFP/csi/das)
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