EU-Gipfel Merkels Zerwürfnis mit Macron

Berlin · An der Personalie Manfred Weber entzündeten sich die Spannungen mit Paris.

 Angela Merkel und Emanuel Macron

Angela Merkel und Emanuel Macron

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Für Manfred Weber könnte das Personalpaket der Europäischen Union als bittere Dialektik schmerzhaft in Erinnerung bleiben. Kurz gefasst: Gewonnen und doch verloren. Wenn auch nicht so ganz. Die Europäische Volkspartei (EVP) ist trotz Verlusten als Sieger aus der Europawahl hervorgegangen und hatte für ihren christsozialen Spitzenkandidaten Weber aus Bayern die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fest im Blick. Aber weil sich ausgerechnet Frankreich als Deutschlands engster Partner in Europa gegen die Verhandlungslinie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt, soll der politische und bei der Wahl unterlegene Gegner der EVP das Rennen machen. Auch das sei eine Folge der gestörten Beziehungen zwischen Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der nach der Bundestagswahl 2017 lange auf die persönliche Unterstützung der Kanzlerin für seine Vorschläge zu einer Reform der EU gewartet und sich von Deutschland immer wieder vertröstet und ignoriert gefühlt hatte, heißt es in Berlin. Dann kam auch noch statt von Merkel im Frühjahr eine Reaktion der neuen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer via Zeitungsbeitrag auf die französische EU-Pläne – samt der Idee, sich von Straßburg als zweitem Sitz des EU-Parlaments zu trennen. Paris kochte. Merkels Konfliktmanagement ist legendär, doch in diesem Machtpoker mit Macron sieht es für sie nach Niederlage aus. Sie wird auf ihrer Habenseite versuchen zu verbuchen, dass sie zwar nicht Weber als Kommissionschef durchsetzen konnte, dafür aber das Prinzip der Spitzenkandidaten retten wollte – auch wenn das dann zum Erfolg für den politischen Gegner führt.

In der Union, die seit Merkels Verzicht auf den Parteivorsitz ohnehin nach Neuorientierung sucht, dürfte eine Abfuhr für Weber nachwirken. Die Enttäuschung vieler Unionsanhänger dürfte bei Merkel abgeladen werden. Es wird für sie auch nicht sehr tröstlich sein, wenn auf die Achtung, den Respekt und die Einflussmöglichkeiten verwiesen wird, die Weber als EU-Parlamentspräsident haben könnte – und der ehemalige Amtsinhaber und SPD-Mann Martin Schulz hatte. Dabei ist Weber ein Mann des Ausgleichs, ein CSU-Politiker der leisen Töne, zu dem das Amt des Parlamentspräsidenten passen könnte. Merkel dürfte in der Debatte kaum verhindern, dass ihre Macht bröckele. Der Anspruch ist, dass die Regierungschefin des größten Landes der EU mit den höchsten Beitragszahlungen in einer solchen Gemengelage den Chefposten mit nach Hause bringt. So wie sie sich in der EU in all den Jahren auch mit ihren Vorstellungen weitgehend durchgesetzt hat. Oder sie müsste eine Aufwertung Deutschlands an anderer Stelle bewirken. Einen starken Kommissarsposten plus einen weiteren Top-Job wie den des Präsidenten der Europäischen Zentralbank oder des Nato-Generalsekretärs. Merkel sagte jedenfalls vor Beginn des Gipfels in Brüssel: „So wie sich die Dinge darstellen, werden es keine sehr einfachen Beratungen.“

Und dann sind da noch die gesundheitlichen Unwägbarkeiten. Nach zwei öffentlich zu beobachtenden Zitteranfällen innerhalb von zehn Tagen, stellen sich Fragen nach der Konstitution der Kanzlerin. Sie versucht die Sorgen zu zerstreuen. Zum einen demonstriert sie Handlungsfähigkeit, indem sie erst zum G20-Gipfel nach Japan und am Sonntag nach Brüssel flog. Zum anderen zeigt sie Verständnis für die Fragen, wie es ihr geht, obwohl das in all den Jahren nie ein Thema war. Ob sie einen Arzt aufgesucht habe, wird Merkel in Japan gefragt. „Ich kann Ihnen so viel berichten, dass ich Ihre Frage erst einmal verstehen kann“, sagt sie. Ansonsten habe sie „aber nichts Besonderes zu berichten, mir geht es gut“. Und: „Ich bin überzeugt: So wie diese Reaktion aufgetreten ist, wird sie auch wieder vergehen.“ In Kürze hat Merkel etwas Urlaub. Atempause.

(kd)
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