Kanzlerin vor Gorleben-Ausschuss Merkels Reise in die Vergangenheit

Düsseldorf · Hat Angela Merkel in ihrer Zeit als Bundesumweltministerin einseitig auf Gorleben als möglichen Standort für das Atommüll-Endlager gesetzt oder nicht? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Untersuchungsausschuss des Bundestages. Die Kanzlerin wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. Zu Beginn der Anhörung wies sie die Vorwürfe zurück.

Angela Merkel vor Gorleben-Ausschuss
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Für die mächtigste Politikerin Europas war es am Donnerstag eine Reise zurück zu ihren politischen Anfängen. Auf Drängen der Opposition war Angela Merkel als Zeugin vor den Untersuchungsausschuss des Bundestages geladen. Die Bundeskanzlerin sollte eine Reihe offener Fragen beantworten, die ihre Zeit als Bundesumweltministerin betreffen.

Im Kern ging es um die Frage: War die Entscheidung des Bundesumweltministeriums (das Merkel führte), Gorleben als möglichen Standort für ein Atommüll-Endlager auszuwählen rein politisch motiviert? Merkel stand von 1994 bis 1998 an der Spitze des Ministeriums. Damit war sie zuständig für die Suche nach einem Endlager für radioaktiven Müll.

Hat Merkel vorsätzlich getäuscht?

Der Vorwurf der Grünen lautet: Merkel hätte eine Suche nach Alternativen zu Gorleben abgelehnt, obwohl im Jahr 1995 eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auch andere möglicherweise geeignete Standorte ermittelt hatte. Und die Linken werfen ihr vor, mit dem Gorleben-Bekenntnis "vorsätzlich getäuscht zu haben".

Am 28. August 1995 klang Merkels Entscheidung nach Auswertung der BGR-Untersuchung so: "Die Untersuchungsergebnisse der BGR zeigen für mich, dass es keinen Grund gibt nach Ersatzstandorten zu suchen. Gorleben bleibt erste Wahl." Hat die Wissenschaftlerin Merkel mit dieser Aussage unwissenschaftlich gehandelt?

41 Standorte wurden 1995 untersucht

Für die Studie wurden 1995 Salzformationen auf ihre mögliche Eignung als Atommüll-Endlager untersucht. Gorleben war nicht unter den 41 untersuchten Standorten. Experten vermuten, dass Gorleben als Standort bei der Prüfung durchgefallen wäre. Dem Salzstock fehle nach Angaben von Geologen ein Deckgebirge mit Barrierefunktion.

Und doch soll das damalige Erkundungskonzept wegen fehlender Salzrechte für andere Bereiche vom Bundesumweltministerium so geändert worden sein, dass man sich auf die Nordost-Passage des Salzstocks konzentriert habe.

"Gorleben weiter untertägig erkunden"

Trotz kritischer Stimmen kam Merkel in der August-Pressemitteilung zu folgendem Schluss: "Ich schließe mich gemeinsam mit dem Bundesamt für Strahlenschutz der fachlichen Bewertung und Empfehlung des BGR an, den Salzstock Gorleben weiter untertägig zu erkunden."

Die Grünen kritisieren indes, Merkel habe die "Billig-Lösung" Gorleben durchringen wollen. "Ohne zu wissen, wie es in dem anderen Teil des Salzstocks aussieht, wurde versucht, so den Eignungsnachweis für Gorleben zu bekommen."

"Eine politische Entscheidung"

In der Kritik steht aber auch der damalige Ministerpräsident Niedersachsens Ernst Albrecht. Er soll auf das von BGR-Vizepräsident Gerd Lüttig vorgestellte Untersuchungsergebnis — Gorleben wurde nicht als besonders gut geeignet bezeichnet - mit der Aussage geantwortet haben: "Das macht nichts, das ist jetzt eine politische Entscheidung."

Vor dem Untersuchungsausschuss am Donnerstag verteidigte Merkel ihr Vorgehen. Aus ihrer damaligen Sichtweise sei die Erkundung des Salzstocks Gorleben als Standort für ein Atommüll-Endlager "richtig, verantwortbar und notwendig" gewesen. "Bis zum Ende der 13. Legislaturperiode gab es keinen belastbaren Beleg, der auf eine Nicht-Eignung Gorlebens hingewiesen hätte", betonte Merkel.

Beginn der Anti-Atomkraft-Bewegung

Reinhard Grindel, Obmann der CDU im Gorleben-Untersuchungsausschuss, unterstützte im Interview mit dem Sender Phoenix die Haltung der damaligen Umweltministerin: "Sie müssen sehen, wie die Stimmung Mitte der 90er-Jahre war. An vielen Stellen der Republik gab es schon Proteste. Die damalige Umweltministerin Merkel wollte nur beruhigen."

Die Standortentscheidung für Gorleben war bereits 1977 unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Helmut Schmidt und der niedersächsischen Landesregierung von Ernst Albrecht gefallen. Kurz nach Bekanntgabe regte sich in der Region Widerstand. Die Anti-Atomkraft-Bewegung gewann an Zulauf und Unterstützung.

(nbe)
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