Umweltminister Röttgen Merkels Mann fürs Klima

Düsseldorf (RPO). Vor drei Jahren wäre Norbert Röttgen um ein Haar Lobbyist geworden. Der einflussreiche Bundesverband der deutschen Industrie wollte ihn als Hauptgeschäftsführer, doch Röttgen winkte ab. Jetzt ist er Umweltminister und damit auch ein wenig Umweltlobbyist - zur Überraschung vieler Parteikollegen.

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Foto: AFP

In der Energiewirtschaft herrschte nach der Bundestagswahl große Freude. Nach der schwarz-gelben Regierungsbildung schien der Ausstieg aus dem Atomausstieg nahe, zumindest Laufzeitverlängerungen für die deutschen Nuklear-Meiler sehnten die Konzerne herbei. Doch sie hatten sich verschätzt.

Der jungenhaft wirkende Röttgen entwickelt sich im Umweltministerium anders als viele Beobachter das von ihm erwartet haben. In der Wirtschaft und im Unions-Wirtschaftsflügel hoffte man, dass er mehr auf ihre Belange eingeht. Die Umweltaktivisten befürchteten den Anbruch einer Eiszeit. Beides war nicht der Fall.

Auch wenn die Annäherung an die Umweltverbände manchmal noch etwas unbeholfen wirkt, allmählich kommt man sich näher. Röttgen ludt unlängst ins Ministerium und gab sich beim Thema Atomkraft betont zurückhaltend. Was bei den Umweltverbänden positiv registriert wird, sorgt im CDU-Wirtschaftsflügel für Unmut - der neue Minister ist ihnen im Amt zu grün geworden. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich ließ sich sogar zu einem öffentlichen Angriff hinreißen.

Dabei versucht der Wirtschaftsfachmann Röttgen doch nur, Umweltschutz und ökonomische Interessen in Einklang zu bringen. "Kopenhagen ist die wichtigste Wirtschaftskonferenz unserer Zeit", sagte er erst in der letzten Woche. "Klimaschutz ist Weltinnenpolitik", betitelte Röttgen kürzlich einen Namensbeitrag für die "FAZ". Die mahnenden, teils lauten Gesten von Sigmar Gabriel (SPD) oder Vor-Vorgänger Jürgen Trittin (Grüne) sind nicht seine Art, sonder eher das Sachliche mit einem Schuss Empathie.

Hohe Ansprüche

Vor der Klimakonferenz in Kopenhagen, die noch bis zum 18. Dezember dauern wird, setzte Röttgen die Messlatte hoch. Er selbst wird erst am Samstag anreisen, wie eine Sprecherin seines Ministeriums unserer Redaktion bestätigte. Das Minimalziel müsse sein, dass sich die versammelten 192 Staaten auf eine Begrenzung der Erderwärmung um höchstens zwei Grad verpflichteten, ließ Röttgen vorab wissen. Andernfalls sei der Gipfel gescheitert.

Der 44-Jährige, Vater von drei Kindern, legte sich zur Freude der Umweltlobby bei den Klimaschutzzielen bereits früh fest. Wie im Koalitionsvertrag geregelt, soll der CO2-Ausstoß in der Bundesrepublik bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Gabriel hatte diese Zusage noch an Bedingungen geknüpft.

Bei dieser eindeutigen Festlegung reibt sich mancher in der Union verwundert die Augen. Doch Kanzlerin Angela Merkel hat ihren Vertrauten - und, so sagen Beobachter, Fraktionschef im Wartestand - nicht ohne Grund auf den in der CDU unpopulären Posten gesetzt. Der Jurist, der 1994 bereits mit 29 Jahren in den Bundestag einzog, war schon immer ein Mann für das etwas Unkonventionelle.

Gehversuche in der "Pizza-Connection"

Mitte der 90er Jahre gehörte er der sogenannten "Pizza-Connection" an. Zusammen mit Ronald Pofalla, Hermann Gröhe und Anderen traf man sich seinerzeit in Bonn bei dem Italiener "Sassella" mit einigen Abgeordneten der Grünen. Was damals noch vielerorts für Unverständnis sorgte, hat seinen Schrecken heute verloren. Ganz im Gegenteil: Die CDU muss sich Bündnisalternativen suchen. Eine moderate Umweltpolitik baut Berührungsängste in Richtung der Grünen ab - ganz abgesehen davon, dass dieses Thema für die Menschen an Bedeutung gewinnt.

Anstrengender dürfte die anstehenden Aufgaben mit seinem Kabinettskollegen aus dem Wirtschaftsressort sein. Zusammen mit Rainer Brüderle (FDP) muss Röttgen bis Oktober 2010 ein Energiekonzept für Deutschland entwickeln. Dies soll auch die verlängerten Laufzeiten für Atomkraftwerke enthalten - eine "Brückentechnologie", wie Röttgen immer wieder betont. Neubauten schließt er aus. Ob das Papier ein Erfolg wird, hängt auch davon ab, wie die beiden ungleichen Minister miteinander klar kommen.

Doch zunächst steht Röttgens Debut auf der internationalen Bühne an. Die Kanzlerin wird erst am 17. Dezember nach Kopenhagen reisen, um die finalen Absprachen in der Runde der Staatschefs zu machen. Bis dahin muss er die Stellung halten.

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