CDU-Treffen in Demmin Merkels Aschermittwoch in Deutschlands Problemregion

Demmin · Knapp 600 Kilometer vom Epizentrum des politischen Aschermittwochs entfernt, ist die Bundeskanzlerin am Mittwochabend zur Kundgebung in die mecklenburgische Hansestadt Demmin gekommen.

 Das Bier scheint der Kanzlerin gut zu schmecken.

Das Bier scheint der Kanzlerin gut zu schmecken.

Foto: dpa, Stefan Sauer

Karneval ist im Nordosten der Republik eher eine Randerscheinung versprengter Exil-Rheinländer. Und das 12000-Einwohner-Städtchen Demmin ist nicht gerade als Mekka gesellschaftlicher Großereignisse bekannt. Ein großer Windpark schmückt die Felder rund um die Stadt, in dem Gewerbegebiet gibt es ein paar Handwerksbetriebe und eine Filiale eines Landmaschinenherstellers. Das war's. Ein Investor wollte in der Stadt mal die weltweit größte Kaviarzucht aufbauen, ging aber pleite. Jeder fünfte Einwohner sucht einen Job. "Hauptstadt der Arbeitslosen", hat ein Magazin mal über die Stadt geschrieben.

Kein Wunder also, dass der Auftritt der mächtigsten Frau der Welt der Höhepunkt des Jahres in Demmin ist. 1500 Menschen, darunter viele in Ehren ergraute Herren, sind an diesem Abend in die umgebaute Squash- und Tennishalle gekommen. Es ist die größte Veranstaltungshalle in einer Region, die mit knapp 144 Einwohnern pro Quadratkilometer zu den dünn besiedeltesten Deutschlands gehört. Die traditionelle Tierschau und der jährliche Trockenangel-Wettbewerb finden ein Mal im Jahr in der Tennishalle statt. Und nun eben Angela Merkel. "Zeit für deutliche Worte", hat die Landes-CDU den Auftritt der Regierungschefin aus der Uckermark beworben. Das soll nach Wahlkampf, nach politischem Aschermittwoch klingen.

Kein Grund für Jubel

Doch in Demmin geht es eher gemächlich zu. Während Merkels knapp 30-minütiger Rede stehen die Zuschauer nicht einmal von ihren Bänken auf. Es gibt auch kaum einen Grund dazu. Die Kanzlerin spult ihr übliches Programm ab. Sie lobt die Politik eines solidarischen Europa, bekennt sich zu Haushaltskonsolidierung und Bildungsinvestitionen. Ihre Tonlage ändert sich während der Aufzählung der Regierungsprioritäten kaum. Erst müssten die Menschen ihre eigene Leistung einbringen, dann könne es um Verteilung gehen, umfasst Merkel den Grundtenor von CDU-Politik.

Holen ihre männliche Parteifreunde und -gegner im Süden der Republik den verbalen Holzhammer heraus, schwingt die CDU-Vorsitzende in Demmin die rhetorische Feder. Den größten Streitfall in der Koalition, die Auseinandersetzung um den Mindestlohn, packt Angela Merkel etwa in diplomatische Worte: "Ich sage ganz freundlich, ich werde nicht nachlassen, unseren Koalitionspartner darauf hinzuweisen: Wir brauchen Lohnuntergrenzen." Das ist dann schon der aggressivste Satz der Kanzlerin.

Demmin wirkt wie das Gegenmodell zur zünftig-populistischen CSU-Show in Passau. Nicht eine Attacke auf den politischen Gegner findet sich in Angela Merkels Rede. Muss sie wohl auch nicht. Am Ende gibt es minutenlangen Applaus und "Angie"-Rufe. Die CDU-Chefin singt das "Pommernlied", dann setzt sie sich auf eine Holzbank und schreibt Argumente. Ein älterer Herr in dunkler Lederweste und Cordsakko nickt zufrieden. "Das ist unsere Angela. Die braucht nicht groß rumtönen."

Nach zwei Stunden ist der politische Aschermittwoch in Demmin zu Ende. Es war Merkels 18. Auftritt als Gastrednerin. Sie ist der Exportschlager der Region. Bei der letzten Bundestagswahl 2009 holte die CDU-Chefin in dem Nachbarwahlkreis jede zweite Erststimme. Um kurz nach 20 Uhr macht sich die Kanzlerin in ihrer schwarzen Limousine wieder auf den Weg in die Hauptstadt. Zurück bleibt eine Region im Dämmerzustand. Wirtschaftliche Stagnation, Ärztemangel, Arbeitslosigkeit und der dramatische Bevölkerungsrückgang von jährlich minus zehn Prozent sind die Daten des Alltags i mecklenburgischen Demmin. Der Auftritt der mächtigsten Frau der Welt ist da nur eine kleine Ablenkung.

(brö)
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