Antrittsbesuch in USA Merkel "zu Gast bei Freunden"

Washington (rpo). Die Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und den USA hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Auftakt ihres Washington-Besuchs in den Vordergrund gestellt. "Ich bin zu Gast bei Freunden", sagte sie am Donnerstagabend vor fast 200 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Washington. Ihr Ziel sei ein offener Dialog mit den USA. Heute wird Merkel US-Präsident George W. Bush treffen.

So sieht Merkels Amerikabesuch aus
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Foto: AP

Henry Kissinger musste absagen. Der frühere US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger konnte am Donnerstagabend nicht zum Abendessen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Residenz des deutschen Botschafters in Washington kommen. Der 82-Jährige hatte sich einen sechsfachen Schulterbruch zugezogen.

An Prominenz mangelte es beim Begrüßungs-Dinner für den hohen Besuch aus Deutschland trotzdem nicht. Neben Merkel nahmen der scheidende US-Notenbankchef Alan Greenspan und der frühere Außenminister Colin Powell Platz, der dem ersten Kabinett von Präsident George W. Bush angehörte. Gegenüber saß Madeleine Albright, die den selben Posten unter Bill Clinton iinnehatte.

Insgesamt 190 Gäste hatte der scheidende deutsche Botschafter in Washington, Wolfgang Ischinger, eingeladen. "Das ist die größte Anzahl, die wir jemals hier hatten", sagte er. "Jeder hier in Washington will die Bundeskanzlerin treffen."

Offizieller Anlass des Dinners war eine Konferenz des American Council on Germany und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Zwischen Hauptgang und Dessert ergriff Merkel das Wort. Früher hatte sie solche Reden noch auf Englisch gehalten. Bei ihrem ersten Auftritt als Kanzlerin vor großem Publikum im Ausland sprach sie deutsch.

Merkel zeigte sich beeindruckt von dem "unglaublichen Empfang". "Ich bin zu Gast bei Freunden, das spüre ich", leitete sie ihre Rede ein und machte sofort deutlich, worum es ihr bei dem Antrittsbesuch in Washington ging. Man müsse die Dinge, die Deutschland und die USA gemeinsam bewegten, "wieder in breiter Form, in ehrlicher Form, in offener Form so diskutieren, dass sie zum Vorteil unserer beider Länder sind".

Die Streitpunkte sollen dabei nach Auffassung Merkels offen angesprochen werden. Als Beispiel nannte sie die unterschiedlichen Erwartungen an die künftige Rolle der Vereinten Nationen. "Ich wünsche mir, dass wir darüber intensiver diskutieren." Eine lebendige Diskussion könne immer auch ein Zeichen von Freundschaft sein, sagte sie. "Das probieren wir ja auch ab und zu mal miteinander aus."

Dass sie Differenzen in den deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht ausgesparen will, hatte Merkel bereits kurz vor ihrer Abreise mit der Forderung nach einer Schließung des US-Gefangenenlagers Guantanamo deutlich gemacht. Die Vorfreude auf den Besuch der Kanzlerin in Washington konnte das nicht trüben. In den Vereinigten Staaten hat man erkannt, dass Merkel in den nächsten Jahren der wichtigste Partner in Europa sein könnte. 2007 hat Deutschland gleichzeitig die EU-Ratspräsidentschaft und den Vorsitz in der G-8 inne. Die maßgebliche Rolle, die die Kanzlerin schon auf ihrem ersten EU-Gipfel bei der Lösung des Haushaltskonflikts einnahm, wurde in den Staaten genau registriert.

Drei Stunden mit Bush

Auf deutscher Seite wurde schon die Programmgestaltung für den Merkel-Besuch als Zeichen für eine neue Qualität in den deutsch-amerikanischen Beziehungen gewertet. Die Kanzlerin musste nicht im Hotel übernachten, vielmehr wurde von Bush ins Blair House eingeladen, dem Gästehaus des Präsidenten, das dem Weißen Haus gegenüber liegt. Rund drei Stunden nahm sich der US-Präsident für seinen Gast aus Deutschland Zeit. "Das ist schon eine Dauer, die man durchaus als ungewöhnlich groß bezeichnen kann", hieß es in deutschen Regierungskreisen dazu. Neben einem Vier-Augen-Gespräch standen eine größere Gesprächsrunde und ein Essen auf dem Programm.

Genug Zeit also, um sich kennen zu lernen. Bei Bushs letztem Deutschland-Besuch vor einem Jahr hatte es in Mainz nur ein kurzes Treffen gegeben, das keine 15 Minuten dauerte. Damals war Merkel noch Oppositionsführerin.

Wann es zum nächsten Deutschland-Besuch des US-Präsidenten kommen wird, blieb am Freitag zunächst offen. Spätestens Mitte nächsten Jahr wird es aber so weit sein. Dann wird Deutschland den G-8-Gipfel ausrichten, wahrscheinlich im Ostseebad Heiligendamm.

(afp)
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