CSU-Landesgruppenklausur Merkel wirbelt in Kreuth gehörig Staub auf

Wildbad Kreuth · Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) muss sich auf anhaltenden Widerstand der Schwesterpartei CSU gegen ihre Flüchtlingspolitik einstellen. In Wildbad Kreuth wirbelte die Kanzlerin Staub auf.

 Treffen in Kreuth: Seehofer, Merkel.

Treffen in Kreuth: Seehofer, Merkel.

Foto: ap

Ein Anflug voller Symbolik. Pünktlich erreicht der Kanzler-Hubschrauber das "Alte Bad", das Tagungszentrum der CSU-Landesgruppenklausur in Wildbad Kreuth, überfliegt die erwartungsvoll wartende Schwesterpartei aber erst einmal in größerer Höhe, bevor er dreht und dann bei der Landung gehörig Schneestaub aufwirbelt. Den ersten Kanzler-Besuch bei einer solchen Kreuth-Klausur in 40 Jahren hat CSU-Chef Horst Seehofer zuvor ordentlich aufgeladen, indem er den Druck auf die CDU-Vorsitzende mit der Vorgabe einer Flüchtlings-Obergrenze von "höchstens 200.000" erhöhte.

Eine Stunde später erklärt die Kanzlerin hinter verschlossenen Türen im Tagungsraum 6 der Hanns-Seidel-Stiftung den CSU-Abgeordneten ohne Schnörkel, was sie davon hält: "Nicht hilfreich", sagt sie, aber "das sei ja bekannt". Diese Kanzlerin will stehen. Und wenn es den CSU-Abgeordneten noch so sehr missfällt. Einige rügen ausdrücklich, dass sie nicht an eine massive Verstärkung der nationalen Grenzkontrollen heran will. Doch dem hält sie entgegen, dass gerade die Freizügigkeit wichtig und als "Motor der wirtschaftlichen Prosperität" insbesondere im deutschen Interesse sei.

Gut ein Dutzend Abgeordnete melden Klärungsbedarf an, wollen etwa wissen, wie der "Plan B" aussieht, den sich die Kanzlerin überlegt hat, wenn sie die versprochene deutliche Reduzierung der Flüchtlingszahlen mit den angedachten Mitteln nicht hinbekommt. Sie werden enttäuscht. Statt auf Wechsel zu Neuem setzt sie auf Mehr vom Laufenden. Es könne nur eine europäische Lösung geben, um das Problem wirklich in den Griff zu bekommen, und dafür brauche es halt Zeit. Etwa, um mit der Türkei die künftige Rolle zu klären. Das gehe nicht binnen Wochen. Was ist mit den Flüchtlingskosten und deren Auswirkungen auf die staatlichen Haushalt, wollen andere CSUler wissen. Und erleben eine Kanzlerin, die sich erneut festlegt: "Eher gebe ich die schwarze Null auf, als dass es Steuererhöhungen gibt."

Aber auch Seehofer gibt sich zu Beginn der Klausur entschlossen. "Zwei-hun-dert-tau-send" sagt er auf Wunsch der Medien noch einmal langsam zum Mitschreiben. Und er begründet seine Zahl. Das sei eine Größenordnung, mit der Deutschland seit der Wiedervereinigung Erfahrung habe. Und das sei auch die Summe, die die EU bei einer gesamteuropäischen Kontingentierung als deutschen Anteil herunterrechne.

Doch es ist nicht die Zahl, die dabei herauskommt, wenn die Entwicklung so weiter geht. Seehofer bringt frische Statistiken mit. Danach überschreiten immer noch täglich 3000 bis 4000 Menschen die deutsche Grenze. In 50 Tagen kann Seehofers Obergrenze also schon gebrochen sein. Und was ist dann mit dem zweihunderttausendundersten Flüchtling? Die Frage ist Seehofer "nicht ernsthaft genug", entgegnet er der Reporterin. Und will auch auf Nachfrage kein Konzept präsentieren. Jedenfalls müsse man sie auch nicht als "Brutto" verstehen. Will sagen: Alle Flüchtlinge, die kein Bleiberecht erhalten, lassen sich auch wieder rausrechnen. Und er verlangt auch nicht, dass Merkel noch in Kreuth den Schalter umlegen muss. Doch 2016 müsse die "Wende" in der Flüchtlingspolitik bringen. Ein Ultimatum mit Dehnfaktor.

Merkel gibt er zugleich Zeit für internationale und europäische Lösungen, dafür will auch Seehofer ausdrücklich den Januar und Februar "abwarten", doch dann kommt erneut seine Festlegung: "Abgerechnet wird an der Grenze." Wie wird Merkel darauf reagieren?

Die übernimmt gleich die Regie. Drei Mikrofone sind bei ihrer Begrüßung aufgebaut. Eines für Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, die gar nicht genug würdigende Worte für die Ehre findet, dass erstmals "ein Bundeskanzler" die CSU-Landesgruppe in Kreuth besucht. Eines für Merkel, die süffisant bemerkt, wie toll es doch sei, dass es diese Premiere nicht nur mit einer "Bundeskanzlerin", sondern auch mit einem "Bundeskanzler" gebe. Und eines für Seehofer. Doch der könnte, selbst wenn er wollte, nichts mehr sagen. Denn kaum hat Merkel die "Herausforderung" angesprochen, durch europäische wie nationale Maßnahmen die "Flüchtlingsbewegung zu bewältigen", beendet sie die inszenierte Begrüßung auch schon mit den Worten "So, und jetzt geht's ans Arbeiten, glaub ich", und wendet sich mit Hasselfeldt zum Gehen. Wortlos kommt Seehofer hinterher. Auch das lässt sich noch interpretieren als eine Reaktion auf den Auftritt Seehofers beim Dezember-Parteitag der CSU, als er Merkel auf offener Bühne demütigte.

Der nimmt sich am Nachmittag vor Journalisten schon auf sehr ironische Weise zurück, indem er darauf hinweist, dass seine Obergrenzen-Definition aus einer Zahl "mit fünf Nullen" bestehe, während hier "nur eine" stehe - und dabei auf sich selbst zeigt. Will er sich damit auch selbst schon politisch auf Null bringen? Die Nachfolgefrage werde 2016 "die geringste Rolle" spielen, versichert er. Und das heißt: Die Auseinandersetzung um den richtigen Weg durch die Flüchtlingskrise wird er auch weiter befeuern. In zwei Wochen geht es weiter. Dann mit der bayerischen Landtagsfraktion an derselben Stelle. Und wieder mit Merkel. Da werden die Fragen sicherlich noch deutlicher werden, sagt ein CSU-Grande voraus.

(mayn)
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