"Neue Finanzmarktarchitektur" Merkel verteidigt Sparkurs gegen US-Kritik

Berlin (RPO). Die Bundesregierung hat Warnungen von US-Präsident Barack Obama vor einem zu raschen Umstieg auf einen harten Sparkurs zurückgewiesen. Nach einem Treffen der Expertengruppe "Neue Finanzmarktarchitektur" im Kanzleramt erklärte Merkel, ein "aufgeblähtes Wachstum" würde unweigerlich zu einer neuen Krise führen. Der Sparkurs sei richtig. An dem von Otmar Issing geleiteten Treffen nahm auch Finanzminister Schäuble teil.

 Umschuldung nur bei Ausstieg aus dem Euro: Finanzexperte Otmar Issing.

Umschuldung nur bei Ausstieg aus dem Euro: Finanzexperte Otmar Issing.

Foto: dapd, APN

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Montag nach einem Gespräch mit der Expertengruppe: "Es geht nicht um ein radikales Sparprogramm." Man dürfe aber bei einem anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung nicht die in der Krise eingeleiteten Konjunkturprogramme einfach fortführen. "Wenn wir nicht zu einem nachhaltigem Wachstumspfad kommen, sondern wieder nur aufgeblähtes Wachstum generieren, werden wir das durch eine nächste Krise bezahlen. Das ist unsere tiefe Überzeugung", warnte sie. Die Bundesregierung unternehme alles, um die Wachstumskräfte nicht zu beeinträchtigen.

Schäube weist Kritik zurück

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verteidigte den angekündigten Schwenk von einer Politik der Krisenbekämpfung zu einer soliden Finanzpolitik. "Wir setzen genau das um, was international seit Monaten als Exit-Strategie besprochen worden ist", argumentierte er. Und das beinhalte, 2011 mit der "maßvoll dosierten Rückführung der zu hohen öffentlichen Defizite" zu beginnen. Das sei richtig, denn die ausufernden Staatschulden nicht nur in Europa seien eine der Hauptursachen der Krise.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle sagte zur Forderung von Obama an Überschussländer, durch eine Stärkung der Binnennachfrage mehr für das globale Wachstum zu tun: "Meines Erachtens ist das auch stark innenpolitisch motiviert." Wie Merkel wandte er sich dagegen, Deutschland in der Diskussion um eine ausgewogeneres Wachstum als Überschussland im Handel isoliert zu betrachten. Wenn man die EU insgesamt sehe, habe sie keinen größeren Handelsüberschuss mit den USA, argumentiert er. Zudem forderte Brüderle mehr Solidität bei den öffentlichen Finanzen ein. "Die Geldwertstabilität macht zwingend erforderlich, dass die öffentlichen Haushalte in eine Balance hineinkommen. Das sollten wir auch unseren Freunden in den Vereinigten Staaten auch als Überlegung nahelegen."

US-Präsident löste Diskussionen

US-Präsident Obama hatte mit einem am Freitag veröffentlichten Brief an seine G20-Kollegen für Diskussionen gesorgt. Darin hatte er mit Blick auf dem G20-Gipfel in Kanada gefordert, die Priorität auf Wachstumsstärkung zu legen. Gerade die Länder mit hohen Handelsüberschüssen, wie Deutschland, sollten mehr für das globale Wachstum tun. Zudem hatte Obama ihre anhaltend zu starke Exportlastigkeit kritisiert.

Der Vorsitzende der Expertengruppe für eine neue Finanzmarktarchitektur, der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing, warnte ebenfalls vor noch höheren Staatschulden. "Wir sehen die Lösung der gegenwärtigen Ungleichgewichte nicht darin, dass die einzelnen Länder verstärkt noch mehr Schulden anhäufen", sagte er. Das würde das Vertrauen der Märkte schwächen und widerspräche jeder ökonomischen Vernunft. Er führte Schätzungen an, die für die großen Industrieländer einen Brutto-Finanzierungsbedarf in diesem Jahr von 5,5 Billionen Dollar erwarten.

Auch in der EU-Kommission kann man der Kritik am deutschen Sparkurs wenig abgewinnen. In EU-Kreisen hieß es, der Vorwurf zu strikten Sparens sei unberechtigt, weil Deutschland erst 2011 mit der Haushaltskonsolidierung beginne, so wie es in der EU verabredet sei. Die Bundesregierung habe ihr Sparziel für das kommende Jahr nicht verschärft, sondern nur festgelegt, wie es realisiert werden solle.

"Das verstärkt die Glaubwürdigkeit und nimmt Unsicherheit heraus", hieß es in EU-Kreisen. Die Staaten der EU wollen beim G20-Gipfel in Toronto darauf drängen, dass die Partner ihrem Beispiel folgen und sich auf eine Strategie zur Abkehr von der steigenden Staatsverschuldung festlegen.

(RTR/csi)
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