Politischer Aschermittwoch der CDU Merkel spart die FDP aus

Berlin/Demmin · Beim Politischen Aschermittwoch der CDU verliert die Kanzlerin über den Krach in der Koalition kein einziges Wort. Nur die NRW-Regierungschefin Hannelore Kraft geht Angela Merkel frontal an.

 Lachend nimmt Kanzlerin Merkel Blumen nach ihrer Rede am Aschermittwoch entgegen.

Lachend nimmt Kanzlerin Merkel Blumen nach ihrer Rede am Aschermittwoch entgegen.

Foto: dpa, Jens Büttner

Wie ist Merkel drauf — drei Tage nach ihrem Scheitern in der Präsidentenfrage, nach ihrer wiederholten Drohung, die FDP aus der Regierung zu schmeißen? Findet sie, wie die CDU-Fahnen in der Tennishalle von Demmin verheißen, "Zeit für deutliche Worte"? Die Regie stellt Rockpop an den Anfang. Petra Zieger schmettert mit ihrer Band den 2000 Gästen ein vielsagendes "Du und ich — das geht nicht" entgegen. Und die Liedzeile: "Wir beide sind am Ende."

Wird Merkel die Botschaft aufgreifen? Zumal sie in ihrer Heimat von den Parteifreunden beziehungsreich im "verflixten siebten Jahr Deiner Kanzlerschaft" begrüßt wird? Drastische Sprüche gehören zum Aschermittwochsbrauch, seit er 1580 im bayerischen Vilshofen entstand. Aber der Norden Mecklenburg-Vorpommerns liegt nicht nur geografisch ziemlich weit weg von Niederbayern.

Der gewöhnliche Mecklenburger bleibt sitzen

Auch die Stimmung in der Halle steht im krassen Kontrast zu den Gebräuchen im Süden. "Ist das Bier gut?", ruft die Rockerin Zieger. Keine Antwort. "Wenn Ihr Lust habt, könnt Ihr jetzt etwas schunkeln", lautet ihr Appell. Niemand hat Lust. "Und jetzt aufstehen, die Chefin kommt!" Der gewöhnliche Mecklenburger bleibt sitzen. Zieger startet trotzdem den Schlusssong, der zum Einzug der Kanzlerin aufputschen soll: "Superfrau", dröhnt es durch die Halle. Doch die Gemeinte kommt nicht.

20 Minuten später wird sie mit Blasmusik eingespielt, da hat sich das bisschen Stimmung schon wieder gelegt. Kreisvorsitzender Marc Reinhardt und Europapolitiker Werner Kuhn hangeln sich durch gereimte Kalauer. "Wenn die Sonne lacht, hat's die CDU gemacht — gibt es Regen und Schnee, war's die SPD!" Tusch. Gemurmel. Es ist die passende Einstimmung auf die erste längliche Rede von Landeschef Lorenz Caffier. Das beste an seinem Beitrag: Er stört die Unterhaltungen an den Tischen nicht.

Trotz historisch schlechtem Stimmenergebnis bei den letztjährigen Landtagswahlen ist er Vize-Regierungschef geblieben. Seine Schilderung der Landespolitik und ihrer Akteure interessiert die Gäste ähnlich, als würde er ein Telefonbuch vorlesen. Die Unterhaltungen an den Tischen werden immer lauter. Ab und zu gibt es einen Tusch und etwas Beifall von den abgesperrten Tischen der regionalen Prominenz. Aber auch das beeinträchtigt die angeregten Unterhaltungen nicht.

Erst Merkel sorgt für Stimmung

Den ersten nennenswerten Applaus gibt es, als Caffier die Kanzlerin ankündigt. Die wird tatsächlich mit einem dreifachen "Hoch soll sie leben" stehend begrüßt. Und sie donnert gleich los: Seit die CDU in Schwerin wieder mitregiere, würden keine neuen Schulden mehr gemacht, in Sachsen unter einer CDU-Regierung sogar Schulden zurückgezahlt. Rot-Grün in NRW mache derweil neue Schulden. "Das werden wir Frau Kraft nicht durchgehen lassen", ruft die Kanzlerin, auch die NRW-Regierungschefin müsse die Schuldenbremse einhalten.

Es folgt ein Vorgeschmack auf den nächstjährigen Bundestagswahlkampf. Auf Merkels Erfolgsliste, die aus Deutschland, dem "kranken Mann Europas", die "Wachstumslokomotive Europas" gemacht habe, die die Zahl der Arbeitslosen von fünf auf drei Millionen gebracht habe: Zwei Millionen Menschen mehr in Arbeit — "das ist gelebte soziale Marktwirtschaft", ruft Merkel, und aus dem Saal schallt ihr ein lautes "Bravo!" entgegen.

Allmählich kommt auch der Politische Aschermittwoch der CDU auf Betriebstemperatur. Aber auch Merkel wird bedroht von einer Murmel-Kulisse. Sie setzt ein, als sie viele Zahlen hintereinander hängt, und sich vergaloppiert. Dass jetzt Europa nur noch sieben Prozent der Weltbevölkerung stelle und Deutschland nur noch 1,2 Prozen "das heißt, unter 120 Menschen ist nur ein Deutscher — oder 1,2", rechnet die Physikerin leicht irritiert vor.

Jedenfalls kommt die Botschaft an, dass die Deutschen mit den anderen Europäern zusammen halten müssen, damit sie überhaupt noch was global bewegen können. Tusch. Sie redet über Bildung, über die Bedeutung, gegen die Neonazis vorzugehen, greift Rot-Grün wegen der Steuersenkungsblockade im Bundesrat an, spricht über Familienpolitik, ballt die Faust, als sie Anstrengungen in ganz Europa fordert wie beim Aufbau Ost in Deutschland.

Die FDP kommt nicht vor

20 Minuten, 30 Minuten liefert sie Versatzstücke früherer und künftiger Wahlkampfauftritte. Über einen spricht sie nicht: die FDP kommt in ihrer Rede nicht vor. Sie beschwört die "eigene Kraft" — alles andere lässt sie dieses Mal weg und ist deshalb lange vor dem Ende der ihr zugestandenen Redezeit fertig. Blasmusik, Pommernlied, fertig. Es folgt geselliges Beisammensein: Statt Worten über die Koalition gibt es Autogramme der Kanzlerin. Und Blumen von der "Lichterkönigin" aus der Mecklenburgischen Seenplatte.

Und dann wird wieder regiert.

(RP/felt/csr)
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