Die Wohlfühl-Strategie der Kanzlerin Merkel schont NRW

Berlin (RP). Die Bundeskanzlerin richtet ihre Regierungspolitik an den NRW-Wahlen aus. Vor dem 9. Mai wird Wohlfühl-Politik gemacht, ab Sommer geht's ans Eingemachte.

Die Pläne der Schwarz-Gelben Regierung
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Foto: AP

Wenn im Berliner Regierungsviertel jemand die anstehenden unpopulären Entscheidungen der Regierung erwähnt wie Gesundheitsreform, Atompolitik oder Haushaltskonsolidierung, raunt es gleich aus allen Ecken: "9. Mai, 9. Mai, 9. Mai". Die Berliner Politik ist derzeit klar auf den Wahltermin in Nordrhein-Westfalen ausgerichtet.

Während neue Regierungen üblicherweise ihre Grausamkeiten am Anfang einer Legislaturperiode begehen, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel das Unangenehme auf die Zeit nach der Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland vertagt. Sie stellt den sonst üblichen Fahrplan einer Wahlperiode sogar auf den Kopf. Schwarz-Gelb beginnt mit Wohlfühlpolitik: Steuererleichterungen für Familien und Hoteliers, Entlastungen für Erben und Unternehmer.

Von strategischer Bedeutung

Nordrhein-Westfalen ist von strategischer Bedeutung. Sollte es hier zu einem Regierungswechsel kommen, fällt auch die Mehrheit für Schwarz-Gelb im Bundesrat. Dann müsste Merkel, wie einst Schröder, gegen die Länderkammer regieren. Also gilt das Motto: Vor dem 9. Mai darf nichts anbrennen. Deshalb hat Merkel bei der Kabinettsklausur in Meseberg eine Art Masterplan für die NRW-Wahl aufstellen lassen. Nun wird streng nach Terminkalender regiert.

Wirtschaft und Finanzen Die Kanzlerin vertraut nicht darauf, dass die geplanten Steuererleichterungen tatsächlich allein das bringen, was der Name des Gesetzes, in dem sie zusammengefasst sind, verspricht: Wachstum beschleunigen. Für den 2. Dezember lädt sie Vertreter der Banken, der Wirtschaft und der Gewerkschaften erneut ein. Top- Themen: Die Befreiung der Unternehmen aus der immer noch andauernden Kreditklemme sowie Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen.

Bildung und Forschung Der Bildungsgipfel, den die Kanzlerin in der großen Koalition ins Leben gerufen hatte, soll am 16. Dezember wiederholt werden. Auf dem Themenplan steht die Erhöhung des Bafögs — eine populäre Entscheidung. Zum 1. Oktober sollen die Sätze für Studenten steigen. Die nahende Erhöhung des Bafög könnte den protestierenden Studenten ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen. Sie haben bereits angekündigt, ihre Demos gegen Studiengebühren auch in den NRW-Wahlkampf zu tragen. Die Gefahr, dass sie mit ihrem lautstarken Protest das linke Lager mobilisieren, ist so zumindest eingedämmt. Beim Bildungsgipfel im Kanzleramt werden auch die Stipendienprogramme auf der Tagesordnung stehen. Sie sind ein Lieblingsprojekt der Liberalen, insbesondere von NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart. Er hat bereits ein Stipendien-System in NRW eingeführt. So ist der Gipfel für ihn eine gute Chance, auf Bundesebene Punkte für NRW zu machen.

Umwelt und Energie Geballte Wut auf der Straße will die Regierung in Berlin auch in Sachen Atompolitik vor der NRW-Wahl vermeiden. So wurden Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) damit beauftragt, ein Energiekonzept aufzustellen, das aber erst im Oktober vorliegen soll. Darin werden die in großen Teilen bei der Bevölkerung unpopulären Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke festgeschrieben. Die Regierung will im Gegenzug von der Energiewirtschaft Geld für die Förderung von Öko-Energie lockermachen. Bevor der Atompolitik-Plan auf den Tisch kommt, wird die Regierung im Frühjahr (vermutlich vor dem 9. Mai) einen nationalen Entwicklungsplan für Elektro-Autos vorlegen. Das heißt: Vor der NRW-Wahl wird Schwarz-Gelb mit einem grünen Projekt aufwarten können. Angesichts der Augenhöhe in Umfragewerten von Liberalen und Grünen in NRW darf dieser Schachzug nicht unterschätzt werden.

Bürokratieabbau Die Rodung bürokratischen Dickichts gehört zu den Lieblingsthemen von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Deshalb ist es auch kein Zufall, dass die Regierung in Berlin bereits im Januar eine Gesetzesänderung auf den Weg bringen will, die Bürgern und Unternehmen Behördenwege einfacher macht. Erste Wirkungen sollen die neuen Regelungen spätestens im April 2010 zeigen. Ein Schelm, wer dabei an Wahlergebnisse denkt.

Gesundheit und Pflege Auch die Sozialpolitik soll die Frühlingsgefühle im NRW-Wahlkampf nicht trüben. Anfang des Jahres wird Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) seine Regierungskommission einsetzen. Ein Konzept für den erneuten Umbau des Gesundheitssystems soll das Gremium frühestens im Sommer vorlegen.

(RP)
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