Bundeskanzlerin unter Druck "Merkel muss jetzt auch innenpolitisch führen"

Berlin (RP). Der CDU-Wirtschaftsflügel fordert Kanzlerin Angela Merkel zu mehr Härte bei den Koalitionsverhandlungen auf. "Merkel muss jetzt auch innenpolitisch führen", heißt es. Die CDU-Spitze kritisierte derweil die SPD-Beschlüsse.

"Das ist Mottenkiste pur" - Reaktionen auf den SPD-Parteitag
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Foto: AP

Der Aufwind der SPD-Linken versetzt den Koalitionspartner CDU in Aufruhr. "Die CDU wird dafür sorgen, dass die aufschwung-feindlichen Beschlüsse des SPD-Parteitages nie Regierungspolitik werden", kündigte der CDU-Generalsekretär Roland Pofalla keine 24 Stunden nach dem Ende des SPD-Parteitags an.

SPD-Forderungen wie das generelle Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen, ein gesetzlicher Mindestlohn von 7,50 Euro und das "Volksaktien"-Modell bei der Bahnreform würden nicht Regierungsarbeit, lautet die unverkennbare Linie der CDU.

Nach dem "Linksruck" der SPD auf dem Parteitag warnte die frisch gewählte CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer die Sozialdemokraten bereits vor einem Bruch der Koalition. Ihr Parteichef Erwin Huber befürchtet, dass das Regieren "härter" werde.

Kanzlerin Angela Merkel gerät in der eigenen Partei zunehmend unter Druck. Die vom Nachrichtenmagazin "Spiegel" bereits als stets kompromissbereite "Okay-Kanzlerin" kritisierte Regierungschefin muss in den Koalitionsverhandlungen Härte zeigen, will sie das etwas schwammig gewordene Bild der Reformerin behalten.

"Angela Merkel muss endlich auch innenpolitisch führen und klar Stellung beziehen", sagte Professor Kurt Lauk, Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats, unserer Redaktion. Auf die CDU kommen "Wochen der Wahrheit" zu, glaubt er. "Wir müssen uns endlich positionieren. Es darf nicht der Verdacht aufkommen, dass die CDU sich in der Koalition nicht durchsetzen könne."

Zu den CDU-Positionen, bei denen Merkel "eindeutig sein muss", gehören nach Lauks Meinung ein Abschmelzen der Erbschaftsteuer, eine Korrektur der Abgeltungssteuer und vor allem die Absage an den geplanten Mindestlohn für die Bediensteten des von der Deutschen Post dominierten Arbeitgeberverbandes. "Wenn Merkel das mitmacht, ist das ein ordnungspolitischer Rückfall."

Die CDU könne nicht den Niedriglohnsektor aktivieren wollen und gleichzeitig einen Mindestlohn beschließen, der nur ein Ziel habe, nämlich "Wettbewerb zu verhindern".

Am kommenden Sonntag könnte es zu einer ersten Machtprobe im Koalitionsausschuss kommen. Die SPD will unbedingt den Mindestlohn-Tarifvertrag zwischen Verdi und dem von der Deutschen Post dominierten Arbeitgeberverband Postdienste (AGV) auf die gesamte Branche ausweiten (Allgemeinverbindlichkeit).

Ende August hatten Angela Merkel und der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber zugestimmt, bis zum 1. Januar 2008 eine entsprechende Regelung zu treffen. Seitdem laufen nicht nur die privaten Konkurrenten der Post Sturm gegen den Plan, sondern auch die Wirtschaftsverbände.

"Der vorliegende Mindestlohn-Tarifvertrag ersetzt das staatliche Briefmonopol durch ein Lohnmonopol. Das ist ein gezielter Eingriff in den Wettbewerb", erneuerte Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt gestern seine Kritik.

Weder erfülle der Vertrag die geforderte Mindest-Beschäftigtenquote im Briefdienst von 50 Prozent noch bestehe ein öffentliches Interesse daran, die festgelegten Tariflöhne von bis zu 9,80 Euro pro Stunde als Mindestlohn festzuschreiben.

Intern wird bereits ein Kompromiss ausgelotet, der die notwendige Quote erreicht, in dem das Gesetz den Geltungsbereich des "Mindestlohn"-Tarifvertrages auf die Beschäftigten eingrenzt, die vorwiegend mit der Briefzustellung und-verteilung befasst sind, beziehungsweise in dafür lizensierten Firmen arbeitet. Wie Merkel sich dazu verhalten wird, ist nicht klar.

Bei der Frage der Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitslose wird die CDU-Chefin wohl dem Arbeitnehmer-Flügel ihrer Partei und damit dem selbst ernannten Arbeiterführer Jürgen Rüttgers entgegenkommen und der längeren Bezugsdauer zustimmen. Über einen Regierungssprecher ließ die in Indien weilende Kanzlerin mitteilen, dass eine "gemeinsame Lösung" in Sicht sei.

Allerdings werde sie auf die Kostenneutralität der Maßnahme pochen. Wie ein Kompromiss konkret aussehen könnte, verriet sie nicht. "Wir können den Gesprächen nicht vorgreifen", sagte ihr Sprecher.

Von Franz Münteferings Arbeitsministerium wird es jedenfalls keine Hilfestellung bei der Kompromisssuche geben. Ein Sprecher betonte lediglich süffisant, die "begrenzte Leidenschaft" des Ministers bei dem Thema sei bekannt.

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