Vorratsdatenspeicherung Merkel macht Druck auf Leutheusser-Schnarrenberger

Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in den Streit um die Vorratsdatenspeicherung eingeschaltet. Sie will das Thema innerhalb der nächsten Wochen vom Tisch haben - und setzt die FDP-Justizministerin unter Druck.

Merkels 140-Stunden-Woche
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Am Rande der Kabinettssitzung am Mittwoch nahm die Kanzlerin Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in die Pflicht, sich ihrer europäischen und fachlichen Verantwortung bewusst zu sein.

Gewöhnlich verweigern Regierungssprecher die Auskunft, wenn es um Kontakte zwischen der Kanzlerin und einzelnen Ministern geht. Wenn ein Sprecher aber von sich aus in die Öffentlichkeit bringt, dass die Kanzlerin mit der Justizministerin das Gespräch gesucht habe, dann soll das vor allem eines bewirken: Den Druck auf die Ministerin erhöhen. Dabei kam ihr die Ankündigung aus Brüssel wie gerufen, wonach die EU-Kommission nun Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen will, falls Deutschland nicht binnen vier Wochen endlich die Vorratsdatenspeicherung auf den Weg bringt.

Innerhalb der FDP ergab sich sogleich die Mutmaßung, dass das Kanzleramt den Brüsseler Hebel gezielt nutze, um den Widerstand der Liberalen zu brechen. Anders Mertzlufft, der Sprecher des Justizministeriums, wunderte sich: Es sei "schwer vermittelbar", dass die EU-Kommission die Einhaltung einer alten Richtlinie verlange, während sie selbst schon an einer neuen arbeite und diese eigentlich schon vor 18 Monaten habe vorlegen wollen.

Jedenfalls werde wohl "keiner eine gelbe Karte in Brüssel bestellt haben", mutmaßte Mertzlufft. Es war ein Spiel über Bande. Indem das Justizministerium diese Vermutung dementierte, brachte es den Gedanken daran, hier könne vielleicht das Kanzleramt oder das Innenministerium ein Interesse an dem Ultimatum aus Brüssel gehabt haben, erst ins Spiel.

Die Unionsfraktion erhöhte ebenfalls sogleich den Druck. "Jetzt muss Schluss sein mit Abwarten", sagte der stellvertretende Fraktionschef Günter Krings unserer Redaktion. "Hier darf es nicht länger um die Empfindlichkeiten eines Koalitionspartners gehen, sondern hier geht es um die Stabilität des europäischen Rechtsraumes und das Geld aller Steuerzahler", betonte Krings mit Blick auf mögliche Geldstrafen für Deutschland.

Krings verwies darauf, dass die französische Polizei dank einer gespeicherten IP-Adresse den mutmaßlichen islamistischen Serienmörder in Toulouse aufspüren konnte. "Das ist ein weiteres Beispiel, weshalb wir die Speicherung dringend brauchen", sagte Krings.

Leutheusser-Schnarrenberger will nun ihr Konzept für die Vorratsdatenspeicherung unter dem Begriff "Quick Freeze" in die Kabinettsabstimmung geben. Das Echo bei den anderen Häusern ist berechenbar. Das Innenministerium lehnt es vehement ab, nur dann bestimmte Kommunikationsdaten zu speichern, wenn ein konkreter Verdacht besteht. Minister Hans-Peter Friedrich (CSU) will eine generelle Mindestspeicherfrist — will aber über den Zeitrahmen mit sich reden lassen.

Mertzlufft versuchte vor der Bundespressekonferenz, den Druck der Kanzlerin auf ihre Ministerin abzuschwächen. Auch der Bundesinnenminister habe an diesem Gespräch teilgenommen, betonte er. Doch Friedrichs Sprecher Jens Teschke parierte geschickt. Er bestätigte nur, dass Friedrich auch in der Kabinettssitzung gewesen und das Gespräch "mitbekommen" habe. Damit blieb die Stoßrichtung Merkel — Leutheusser-Schnarrenberger erhalten.

(may-)
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