Geschnürte Wanderstiefel Merkel, Kühnert, Wüst - wenn Politiker wandern

Analyse | Berlin · Es ist politische Sommerpause und jetzt schnüren auch sie wieder die Stiefel. Ob Merkel, Kohl, Kühnert oder Wüst – warum gehen Politiker eigentlich so gerne auf Wanderschaft?

Politiker auf Wanderung: Merkel, Steinmeier, Kühnert & Co.
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Über Stock und Stein - Politiker auf Wanderung

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Foto: dpa

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst tut es, sein hessischer Amtskollege Boris Rhein (beide CDU) auch, selbst SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Alle schnüren in diesen sommerlichen Tagen die Stiefel und gehen auf Wanderschaft; möglichst mit Gefolge. Das Wandern ist des Politikers Lust - und das heute wie früher. Aber warum eigentlich?

Eines der berühmtesten, politischen Wanderpaare waren wohl der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß und der CDU-Vorsitzende Helmut Kohl in den 1970er-Jahren; gerne am bayerischen Tegernsee, wo CSU-Chef Strauß ein Haus besaß. Mit Rucksack, Brotzeit und ohne Sicherheitsbeamte redete man frei. So frei, dass von Strauß der Hinweis überliefert ist, Kohl fehle es an „charakterlichen, geistigen und politischen Voraussetzungen“, um Kanzler zu werden. Es kam bekanntlich anders. Kohls „Mädchen“, Angela Merkel, spätere Bundeskanzlerin, wanderte früher ebenfalls viel, heute als Polit-Rentnerin immer noch. In Funktionskleidung und mit Ehemann Joachim Sauer. Gerne und oft in Begleitung des Bergsteigers Reinhold Messner.

„Uns freut das“, sagt Jens Kuhr, Sprecher des Deutschen Wanderverbandes. „Wandern ist nicht nur gesund, sondern fördert auch die Kommunikation.“ Kuhr erklärt die Wanderleidenschaft von Politikern so: „Beim Wandern kommt man auf Gedanken und Ideen, auf die man am Schreibtisch nicht kommen würde.“ Dazu gebe es auch Studien. „Leute, die sich in der Natur mit anderen bewegen und dabei Themen erörtern, kommen bei der ein oder anderen Frage zu besseren Ergebnissen“, so der Experte. „Inspiration für die politische Arbeit kann nicht schaden.“ Da ist was dran.

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Foto: Pixabay / m_baecher

Gleichwohl steckt hinter der Wanderleidenschaft oft auch etwas anderes – schnöder Wahlkampf zum Beispiel. Gewandert wird gerne gemeinsam mit Bürgern, am liebsten auch mit Medienvertretern. Dann ist man volksnah, das gibt schöne Bilder. Deswegen absolvieren die Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und Boris Rhein kommenden Montag zusammen eine längere Tour – von der Mühlenkopfschanze im hessischen Willingen nach Winterberg in Nordrhein-Westfalen. Mit vielen Möglichkeiten zum Austausch, wie versprochen wird. Im Oktober sind in Hessen Landtagswahlen. Rhein kann Unterstützung gut gebrauchen von einem, der wie Wüst seine Wahl im vergangenen Jahr bereits gewonnen hat.

Manch einer verbindet freilich beides, Hobby und Wahlkampf. So wie Kevin Kühnert. Der SPD-General verlegte seine Amtsgeschäfte in dieser Woche nach Bayern, um der dortigen SPD im Wahlkampf zu helfen. Im Freistaat wird ebenfalls im Oktober gewählt. Auf Wanderungen und Diskussionsveranstaltungen kam Kühnert „täglich mit vielen Menschen ins Gespräch“, so die SPD. Kühnert selbst zählt das Wandern allerdings zu seinen liebsten Freizeitbeschäftigungen, neben dem Fußball. In einem Interview sagte er einmal: „Wenn ich beim Wandern bin, ist eigentlich alles super.“ Ob sein Aufenthalt aber der bayerischen SPD genutzt hat, ist noch unklar.

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Foto: RP/Neanderland Tourismus

Auch andere Genossen entpuppten sich schon mal als Wanderfreunde – Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine zum Beispiel. 1997 spazierten sie freilich eher an der Saarschleife, und die Freundschaft zerbrach später. CDU-Mann Friedrich Merz durchquerte 2008 mit FDP-Kumpel Guido Westerwelle den Hochsauerlandkreis – nach der Aufregung um seine Äußerungen zu einer Kooperation mit der AfD könnte es gut sein, dass der heutige CDU-Chef Merz etwas Trost in den heimischen Wäldern sucht. Der Präsident der Waldeigentümer, Andreas Bitter, betont jedenfalls, man freue sich über jeden, der den Wald besuche. „Besonders freuen wir uns natürlich über Besucher aus der Politik.“

Damit verbinde man dann auch die Hoffnung, dass Politiker erkennen würden, „dass der Wald bei aller Schönheit durch den Klimawandel bedroht ist und der notwendige Waldumbau eine verlässliche Förderung braucht“. Wandern ist halt nicht unpolitisch, schon gar nicht, wenn Politiker die Stiefel schnüren. Vergessen werden darf übrigens nicht, dass Deutschland mal einen „Wanderpräsidenten“ hatte. Karl Carstens, von 1979 bis 1984 fünfter Bundespräsident. Er erkundete Deutschland am liebsten zu Fuß.

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