Berlin Merkel kritisiert Gegner von Stuttgart 21

Düsseldorf (RP). Bundeskanzlerin AngelaMerkel (CDU) und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) haben die Zunahme der Protest-Kultur in Deutschland beklagt. Angesichts des heftigen Widerstands gegen das Bahnhofs-Projekt Stuttgart 21 sei fraglich, ob historisch wichtige Modernisierungsschritte wie die Elektrifizierung Deutschlands oder der Bau der Eisenbahn heute noch machbar wären, sagte Merkel auf dem Deutschlandtag der Jungen Union.

Der Stuttgarter Kopfbahnhof - Dokumentation eines Abrisses
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Merkel stellte sich damit erneut klar hinter das Projekt. Westerwelle kritisierte, in einer "Nichts-geht-mehr-Republik" lasse sich Wohlstand nicht mehr sichern. Ungeachtet der Politikerschelte gingen die Proteste in Stuttgart am Wochenende weiter. Die Veranstalter schätzten die Zahl der Demonstranten am Samstag auf 30.000, die Polizei auf 18.000.

Zuvor hatten die Veranstalter mit 100.000 Teilnehmern gerechnet; für die geringere Zahl sei aber kein nachlassendes Engagement, sondern schlechtes Wetter verantwortlich gewesen. Am Samstagabend besetzten zudem 60 Projektgegner den Südflügel des Bahnhofs. Die Polizei räumte das Gebäude mit 300 Einsatzkräften, ein Polizist wurde verletzt.

Grüne greifen Grube an

Die Grünen griffen Bahn-Chef Rüdiger Grube scharf an. "Er eskaliert, provoziert, polarisiert", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der "Bild am Sonntag". Grube untergrabe jeden Schlichtungsversuch des Vermittlers Heiner Geißler. Falls die Schlichtung scheitere und die Grünen nach der Landtagswahl im März in die Regierung kämen, würden sie sich für das Aus des Projekts einsetzen, so Trittin.

Merkel appellierte an ihre Partei, die Menschen vom Nutzen des Projekts zu überzeugen. Politik funktioniere nicht nach dem Motto: "Das wird jetzt so gemacht." Frühere Großprojekte wie der Ausbau des Flughafens Frankfurt lehrten, dass Gespräche viel bewirken könnten.

Wenn Stuttgart 21 gekippt würde, rechne die Bahn mit Kosten von 1,4 Milliarden Euro, berichtete der "Spiegel". Bei einem Ausstieg müsste die Bahn zusätzlich noch 1,8 Milliarden Euro in die Erneuerung des Gleisvorfeldes des bisherigen Bahnhofs stecken, so die "Bild".

Gegner und Befürworter des Projekts hatten sich am Freitag auf eine vom CDU-Politiker Heiner Geißler geführte Schlichtung geeinigt, die Ende November abgeschlossen sein soll. Bis dahin gilt die Friedenspflicht — das heißt, es wird vorerst nicht weiter gebaut.

Die Grünen werden nach Aussage ihres Parteichefs Cem Özdemir bei einem möglichen Volksentscheid über das Bahnprojekt "Stuttgart 21" jedes Ergebnis akzeptieren. "Wir sind gute Demokraten und halten uns an das Ergebnis. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung in Baden-Württemberg sagen würde, wir wollen diesen Bahnhof, dann wird er auch gebaut, das ist völlig klar", sagte Özdemir am Montag dem SWR.

Bei einer Abstimmung für "Stuttgart 21" würden sich die Grünen auch nicht aus einer möglichen rot-grünen Koalition nach den Landtagswahlen im März 2011 zurückziehen. "Das würde ja bedeuten, dass man immer dann, wenn die Bevölkerungsmehrheit anderer Meinung ist, sich in den Schmollwinkel zurückzieht und quasi die Bevölkerung bestraft", sagte Özdemir weiter. Das sei nicht die Haltung seiner Partei gegenüber direkter Demokratie.

(RP)
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