Historischer Tag Merkel ist erste Bundeskanzlerin Deutschlands
Berlin (rpo). Der Bundestag hat die CDU-Vorsitzende Angela Merkel zur ersten Kanzlerin der Bundesrepublik gewählt. Die 51 Jahre alte Ostdeutsche erhielt im Reichstag 397 von 611 gültigen Stimmen. 202 Abgeordneten votierten gegen sie. Damit standen die Fraktionen von Union und SPD nicht geschlossen hinter der neuen Regierungschefin. Für die Wahl zur Kanzlerin waren mindestens 308 Stimmen erforderlich. Die große Koalition hat 448 Stimmen im Parlament.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat offiziell das Kanzleramt in Berlin übernommen und damit den Führungswechsel perfekt gemacht. Beim Abschied im Kanzleramt wünschte den bisherigen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Merkel "Erfolg für ihre Arbeit für unser Land". Ausdrücklich würdigte Merkel anschließend ihren Vorgänger, der als Bundeskanzler wichtiges für Deutschland geleistet habe und "an den sich die Menschen gern erinnern werden". Mit diesem Erbe werde sie "sehr verantwortlich umgehen", versicherte sie.
Gut zwei Monate nach der Bundestagswahl ist die Regierungsbildung abgeschlossen. Als letzter Schritt wurden die 15 Minister des schwarz-roten Kabinetts im Bundestag vereidigt.
Bundespräsident Horst Köhler hat die 15 Minister der neuen Bundesregierung ernannt. Er überreichte den Kabinettsmitgliedern im Berliner Schloss Charlottenburg die Ernennungsurkunden. "Es ist gut, dass Deutschland wieder eine handlungsfähige Regierung hat", sagte Köhler. Er wünsche den Bürgern, dass sie gut und erfolgreich regiert würden. Die neue Regierung habe die Chance, die begonnen Reformen fortzuführen.
Dem Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel gehören acht Minister aus der SPD, fünf aus der CDU und zwei aus der CSU an. Vizekanzler ist Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD). Nur vier Mitglieder des alten Kabinetts sind in der Regierung geblieben: Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, Justizministerin Brigitte Zypries, Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier als Außenminister. Wieczorek-Zeul gehört der Regierung seit 1998 an und ist damit dienstältestes Regierungsmitglied.
Am Nachmittag hatte Angela Merkel im Bundestag ihren Amtseid abgelegt. Sie ergänzte die Eidesformel mit dem Zusatz "so wahr mir Gott helfe". Nach der Vereidigung wurde die Bundestagssitzung erneut unterbrochen. Als nächster Schritt stand die Ernennung der 15 Minister durch Köhler auf dem Programm.
Die Vereidigung der Kabinettsmitglieder ist in Artikel 64 des Grundgesetzes geregelt. Der Wortlaut des Eids ist in Artikel 56 vorgeschrieben: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde." Der Eid kann durch "so wahr mir Gott helfe" ergänzt werden. Schröder hatte 1998 und 2002 als erster Kanzler darauf verzichtet.
Erster Gratulant war der ausgeschiedene Bundeskanzler Gerhard Schröder. Merkel erklärte, dass sie die Wahl zur Kanzlerin annehme. Anschließend fuhr sie ins Schloss Charlottenburg, wo Bundespräsident Horst Köhler der neuen Regierungschefin ihre Ernennungsurkunde überreichen wollte. Nach der Vereidigung Merkels im Bundestag stand auch die Ernennung ihres 15-köpfigen Kabinetts an. Die neuen Minister sollten ebenfalls am Nachmittag vereidigt werden.
Unmittelbar vor der Kanzlerwahl waren die Fraktionen noch einmal zusammengekommen, um zu sehen, ob alle Abgeordneten anwesend sind. Alle 222 sozialdemokratischen Parlamentarier waren im Reichstag. Für die Anfang November verstorbene SPD-Parlamentarierin Dagmar Schmidt nahm Christoph Pries als "Nachrücker" an der Wahl teil. Bei der Union hieß es, keiner der 226 Abgeordneten habe sich abgemeldet. Für den CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber, der bayerischer Ministerpräsident bleibt und sein Bundestagsmandat nicht annahm, rückte Johannes Singhammer nach.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck sagte: "Wer sich als Frau in der Union zur Kanzlerkandidatin durchkämpft, hat gewisse Stärken. Sie hat die Chance, eine gute Kanzlerin zu werden". Sein Kollege Volker Kauder von der Union erklärte: "Das wird ein wichtiger Tag für unser Land. Heute wird die erste Bundeskanzlerin in der Nachkriegsgeschichte gewählt."
Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte die Amtsgeschäfte am späten Nachmittag an Merkel übergeben. Noch am Abend ist eine erste Sitzung des neuen Kabinetts geplant.
Der luxemburgische Ministerpräsident Jean Claude Juncker erwartet eine gute Zusammenarbeit der neuen Bundesregierung mit der Europäischen Union. Im ZDF-Morgenmagazin sagte Juncker, eine Bundeskanzlerin von der CDU und ein Außenminister aus der SPD seien ein gutes Duo für Europa. Es werde sich noch einspielen müssen, aber "beide sind überzeugte Europäer, beide haben klare Ideen über schwierigste Fragen". Die notwendige interne Abstimmung sei sogar in hohem Maße wertvoll, dann könne man in Brüssel detaillierter überzeugen, fügte der luxemburgische Regierungschef hinzu.
Der Tag lief ab wie folgt:
09.00 Uhr - Sondersitzungen der Fraktionen von Union und FDP
09.30 Uhr - Sondersitzungen der Fraktionen von SPD und Grünen
10.00 Uhr - Eröffnung der Bundestagssitzung
10.05 Uhr - Beginn der Kanzlerwahl
10.53 Uhr - Bekanntgabe des Wahlergebnisses für Merkel
11.00 Uhr - Sondersitzung der Linksfraktion
12.00 Uhr - Bundespräsident überreicht Merkel Ernennungsurkunde
14.04 Uhr - Kanzlerin leistet Amtseid im Bundestag
15.04 Uhr - Ansprache des Bundespräsidenten vor Kabinett
15.10 Uhr - Köhler ernennt die neuen Kabinettsmitglieder
16.10 Uhr - 15 Minister leisten im Bundestag ihren Amtseid
17.07 Uhr - Schröder übergibt Amtsgeschäfte an Merkel