Vorstoß von Unionsabgeordneten abgelehnt Merkel gegen Sonderabgabe für Kinderlose

Berlin · Die Empörung war groß: Junge Unionsabgeordnete forderten ein Strafpunktesystem für Kinderlose. Die Kanzlerin stoppt den Vorstoß nun mit dem schlichten Hinweis, dass sie kein Zweiklassendenken will.

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Nach breiter Empörung in allen Parteien hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Vorstoß aus der Union zu einer Sonderabgabe von Kinderlosen einkassiert. "Ich glaube, die Diskussion der Einteilung in Menschen mit Kindern und ohne Kinder ist hier nicht zielführend", sagte die CDU-Vorsitzende am Dienstag in Berlin. Das Anliegen der Jungen Gruppe der Unionsfraktion, die sozialen Sicherungssysteme nachhaltig zu gestalten, sei berechtigt. Mit dem Vorstoß seien die Probleme der Finanzierung aber nicht lösbar.

Abgeordnete von der CSU bis zu den Linken bezeichneten das Modell als Strafzahlung und unakzeptable Einmischung des Staates in das Leben der Menschen, die keine Kinder haben. Viele Parlamentarier warnten vor doppelten Bestrafung von ungewollt kinderlosen Paaren.

Der FDP-Abgeordnete Patrick Meinhardt erklärte: "Die konservative Strafabgabe für Kinderlosigkeit ist sozialistisches Gedankengut pur. Ich bin (...) entsetzt darüber, dass aus den Reihen unseres Koalitionspartners ein derart absurder Vorschlag kommt."

Die Unionsabgeordneten um den sächsischen Parlamentarier Marco Wanderwitz hatten gefordert, Kinderlose ab 25 Jahre prozentual nach ihrem Einkommen zu belasten. Die Abgabe sollte nach Anzahl der Kinder gestaffelt werden. Kinderlose sollen voll zahlen, Eltern mit einem Kind die Hälfte, Eltern mit mehreren Kindern nichts.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hatte noch am Montag gesagt, er werde sich den Vorschlag unvoreingenommen ansehen. Der Vorstoß sei ein Grundgedanke, "den ich für angemessen halte".

Wanderwitz sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es gibt eine Schieflage in unserem Land. Familien tragen höhere Lasten als Kinderlose. Sie stehen finanziell schlechter." Deshalb sollten kinderlose Bürger von dem Geld, das sie einsparten, weil sie eben keine Kinder großzögen, mehr Vorsorge für ihr Alter treffen. Die Sozialversicherungssysteme basierten auf dem Generationenvertrag.
"Jeder zahlt für die Eltern- und Großelterngeneration und sorge mit Kindern dafür, dass es später wieder Beitragszahler gibt. Für Kinderlose zahlen später fremder Leute Kinder."

Auch die Präsidentin des Familienbundes der Katholiken, Elisabeth Bußmann, erklärte: "Es ist nicht länger hinnehmbar, dass der Nutzen des Generationenvertrages sozialisiert, die finanziellen Lasten für Kinder bei den Eltern privatisiert werden." Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) sagte der "Welt":
"Derjenige, der Zukunft baut und Kinder hat, darf nicht mit denselben Beiträgen belastet werden wie jemand, der das - egal aus welchen Gründen - nicht tut." Die Grünen-Politikerin Katja Dörner nannte die Äußerung "unverschämt und reaktionär".

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte hingegen der dpa:
"Nicht jeder Kinderlose ist dies freiwillig. Wir müssen vielmehr Anreize setzen, damit sich junge Menschen neben Ausbildung und Beruf für Kinder entscheiden. Strafabgaben helfen nicht weiter." Der sozialpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, warnte: "Nicht die Anzahl der Kinder als solche ist von entscheidender Bedeutung. Es kommt vor allem darauf an, dass die Kinder von morgen Arbeit haben."

SPD-Fraktionsvize Dagmar Ziegler sagte der dpa, einkommensschwache Menschen, die Kinder bekommen wollen, müssten Existenzängste genommen werden. Die SPD fordert eine Neuordnung beim Kindergeld. Der familienpolitische Sprecher der Linken, Jörn Wunderlich, sagte der dpa, nötig sei, in der Kranken- und Pflegeversicherung eine solidarische Bürgerversicherung einzuführen.

(dpa)
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