Ex-Minister Lambsdorff im Interview "Merkel fördert den Staatskapitalismus"

(RP). Der frühere Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) geht mit der Krisenpolitik von CDU-Kanzlerin Merkel hart ins Gericht. Die Verstaatlichungspläne der Bundesregierung seien der Abschied von der sozialen Marktwirtschaft, sagte Lambsdorff im Gespräch mit unserer Redaktion. Die CDU brauche eine "ordnungspolitische Leitlinie".

 Otto Graf Lambsdorff kritisiert den "Staatskapitalismus".

Otto Graf Lambsdorff kritisiert den "Staatskapitalismus".

Foto: ddp

Die erste Bank steht vor der Zwangs-Enteignung. Was geht in Ihnen vor?

Lambsdorff Was wir erleben, ist der Abschied von der sozialen Marktwirtschaft. Das Eigentumsrecht ist ein unverzichtbares Gut in Deutschland und Kern unserer Wirtschaftsordnung. Wenn die Bundesregierung das aufgibt, fördert sie den Staatskapitalismus. Und dass nur weil der Bund einen missliebigen Minderheitsaktionär loswerden will. Ohne den Staat wird es bei den Banken wegen der systemischen Risiken wohl nicht gehen. Aber eine Enteignung ist nicht das letzte Mittel, es ist gar kein Mittel. Es gibt andere Lösungsansätze, zum Beispiel den einer Auffanggesellschaft.

Überdreht die Politik in der Krise?

Lambsdorff Eindeutig. Die Bundesregierung geht zu weit — nicht nur bei den Banken, auch bei den anderen Unternehmen. Mit ihrem industriepolitischen Protektionismus beschädigt sie Wachstum und Wohlstand nachhaltig. Sie lockt durch ihre Bereitschaft für staatliche Hilfen immer mehr Unternehmen, die sich aus unterschiedlichen Gründen mit Steuerzahlergeld aus der Krise bringen wollen. Der Steuerzahler darf aber nicht für fehlgegangene Investitionen und Übernahmen von Unternehmen die Zeche zahlen Die Lasten für die künftigen Generationen sind unvorstellbar.

Erwarten Sie, dass sich der neue Bundeswirtschaftminister zu Guttenberg einschaltet?

Lambsdorff Das muss und wird er tun. Die ersten Äußerungen stimmen mich positiv. Herr zu Guttenberg muss als Hüter der sozialen Marktwirtschaft das Schlimmste verhindern.

Und notfalls muss er in der Krise ein Unternehmen pleite gehen lassen?

Lambsdorff Das ist unvermeidbar. Ich habe in meiner Amtszeit, wenn man an die Werften oder die Textilindustrie denkt, staatliche Unterstützung für Unternehmen oft abgelehnt. Der Staat kann einen notwendigen Strukturwandel nicht verhindern. Dieser Maßstab muss auch für eine staatliche Fusionshilfe im Fall Conti und Schaeffler oder für Opel gelten.

Fehlt ihnen der ordnungspolitische Kurs der Kanzlerin?

Lambsdorff Ich bin nicht für eine öffentliche Maßregelung der Regierungsarbeit zuständig, aber eine Leitlinie, wie die CDU zu den Prinzipien der Ordnungspolitik in der Krise steht, würde ich mir schon wünschen.

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