Streit in der Regierung Merkel bremst Seehofers Asylplan

Berlin · Die CDU-Kanzlerin und der CSU-Innenminister können sich nicht auf eine Zurückweisung von Asylbewerbern an den Grenzen einigen. Die CSU will „geltendes Recht durchsetzen“, Merkel eine europäische Lösung.

 Angela Merkel und Horst Seehofer.

Angela Merkel und Horst Seehofer.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Der für Dienstag von Innenminister Horst Seehofer geplante zentrale Aufschlag zur neuen deutschen Flüchtlingspolitik ist vorerst gescheitert. Wegen der darin vorgesehenen Zurückweisungen von Flüchtlingen an den Grenzen kam es zu einer Auseinandersetzung mit dem Kanzleramt. Ein Termin für einen neuen Anlauf steht nach Auskunft des Innenministeriums noch nicht fest. „Aus einem Masterplan wird ein Desasterplan“, twitterte SPD-Innenexperte Burkhard Lischka.

Bereits am Sonntagabend hatte Merkel in der Fernsehsendung „Anne Will“ von anhaltenden Gesprächen mit Seehofer berichtet, die noch nicht zu einer Verständigung geführt hätten. „Ich möchte, dass das, was heute gilt, dass europäisches Recht Vorrang hat vor nationalem Recht, dass wir das auch in unserer weiteren Politik umsetzen“, sagte Merkel. Sie verwies ausdrücklich auf das Dublin-System, das sie reformieren, aber dabei nicht einseitig national agieren wolle. Sie sehe „nur in europäischen Lösungen die wirkliche Lösung“, unterstrich Merkel.

Nach den Dublin-Vereinbarungen ist für das Asylverfahren primär jenes Land zuständig, in dem ein Flüchtling zuerst in der EU registriert wurde. Bis September 2015 war die Bundespolizei gesetzlich verpflichtet, jeden Ausländer „zurückzuschieben“, für den bereits ein anderes EU-Land in der Pflicht war. Diese Vorschrift wurde seinerzeit kassiert und ist seitdem nicht wieder in Kraft getreten. Derzeit werden lediglich Ausländer ohne Papiere und ohne Asylwunsch zurückgewiesen. Deren Zahl ist von 2016 auf 2017 von 15.735 auf 12.370 zurückgegangen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt stellte sich hinter Seehofer und gegen die Kanzlerin. Für die CSU sei klar, dass sich die Ereignisse im Jahr 2015 nicht wiederholen dürften. „Dazu gehört die Bereitschaft, an unseren Grenzen geltendes Recht durchzusetzen und Menschen zurückzuweisen, die bereits in einem anderen europäischen Land registriert und in der europäischen Fingerabdruckdatei vermerkt sind“, sagte Dobrindt. Diese Zurückweisung müsse auch Teil eines Masterplans Migration sein. Das sei die Rechtslage in Europa. „Und ich will, dass die Rechtslage an den Grenzen umgesetzt und durchgesetzt wird“, bekräftigte der CSU-Politiker.

Auch bei den Beratungen im Unionsfraktionsvorstand soll es nach Teilnehmerangaben Rückhalt für die Sicht der CSU gegeben haben. Merkel hatte zuvor im Vorstand der CDU jedoch eine Entsolidarisierung in Europa befürchtet, wenn sich Seehofer mit der Zurückweisung durchsetze.

Auch ein Kompromiss mit dem künftigen EU-Ratsvorsitzenden und österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz sei viel schwieriger, da Österreich vom Stopp von Flüchtlingen an der deutschen Grenzen am stärksten betroffen wäre, warnte die Kanzlerin. Kurz kommt zu Gesprächen nach Berlin und trifft sich sowohl mit Merkel als auch mit Seehofer.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und SPD-Vize-Chefin Malu Dreyer (SPD) warf Seehofer Ankündigungspolitik vor. „Der Innenminister kündigt seit Amtsantritt Konzepte an. Geschehen ist bis heute nichts“, sagte Dreyer unserer Redaktion. Eine inhaltliche Auseinandersetzung könne nicht stattfinden, weil Innenminister Seehofer nicht darlege, wie er seine Ziele umsetzen wolle. „Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Ideen des CSU-Innenministers hat ganz offensichtlich auch CDU-Kanzlerin Merkel“, unterstrich Dreyer.

CDU-Innenexperte Armin Schuster plädierte dafür, Merkel eine Frist einzuräumen. „Wir sollten der Bundesregierung die Chance geben, auf dem Europäischen Rat Ende Juni noch ein positives Ergebnis für eine gemeinsame europäische Asylpolitik zu erzielen, das Deutschland spürbar entlastet und den Südländern hilft“, sagte Schuster unserer Redaktion. Gelinge das nicht, müsse es auch zu Zurückweisungen an den deutschen Grenzen kommen. „Deutschland kann nicht auf Dauer so viele Asylbewerber aufnehmen wie alle anderen EU-Länder zusammen“, so Schuster.

Die Grünen unterstützten Merkel in dem Konflikt mit dem Innenminister. Die CSU geriere sich „als Oppositionskraft zur eigenen Regierung“, meinte Innenexperte Konstantin von Notz. „Die Vorschläge von Horst Seehofer scheinen weder konsensfähig in der Koalition noch europapolitisch tragfähig“, erklärte von Notz. Die Begriffe „Grenzöffnung“ und „Grenzschließung“ taugten zur Zuspitzung und Demagogie, aber nicht zur Problemlösung.

Aus Sicht der FDP-Innenexpertin Linda Teuteberg blockiert der Konflikt in der Union die Regierung und das Land, obwohl gerade jetzt Handlungsfähigkeit gezeigt werden müsse, um das Vertrauen der Menschen wieder zu gewinnen.

(may- , qua)
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