Stuttgart 21 Mehdorn greift Bahn-Gegner an

Stuttgart/Berlin (RPO). Nach dem Schlichterspruch im Streit um Stuttgart 21 verschärft sich erneut der Ton. Bahn-Gegner riefen zu neuen Demonstrationen auf, die Grünen rufen erneut nach einem Baustopp. Die Bahn gab derweil bekannt, mit einem Ergebnis des Stresstests sei erst im Sommer zu rechnen. Auf Seiten der Stuttgart-Befürworter hat sich derweil auch der frühere Bahnchef Hartmut Mehdorn eingeschaltet.

Der Sieben-Punkte-Plan zu "Stuttgart 21 Plus"
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Foto: dapd

Mehdorn begrüßte den Schlichterspruch zu "Stuttgart 21" ausdrücklich. Die Schlichtung sei ein guter Prozess gewesen, der Transparenz geschaffen habe, sagte er der "Bild"-Zeitung. Mit dem Schlichterspruch könnten Gegner und Befürworter gut leben. Zugleich kritisierte Mehdorn die Gegner des Bahnhofsprojekts scharf. "Wer jetzt weiter gegen 'Stuttgart 21' demonstriert, demaskiert sich als purer Nein-Sager", betonte er. Statt über mehr Demokratie zu reden, müsse endlich das Baurecht endlich reformiert werden. Es sei "zu langwierig, zu teuer und bürgerfremd".

Schlichter Heiner Geißler hatte sich am Dienstag in seinem Votum für ein "Stuttgart 21 Plus" ausgesprochen, das leistungsfähiger, sicherer und ökologischer als das derzeitige Konzept sein müsse. Die Bahn soll nachweisen, dass ein Tiefbahnhof zu Spitzenzeiten um 30 Prozent leistungsfähiger ist als der alte Kopfbahnhof. Gegebenenfalls müsse die Zahl der Gleise von acht auf zehn erweitert und die Zufahrt zum Flughafen zweigleisig ausgebaut werden, forderte Geißler. Der Schlichterspruch ist nicht bindend.

Dauerkonflikt bis Sommer 2011

Für Gegner und Befürworter bot der zweischneidige Schiedsspruch genügend Fläche, um daraus Argumente für die eigene Position abzuleiten. Beide Parteien sehen sich in ihren Positionen bestätigt. Die Landesregierung in Baden-Württemberg zog das Fazit, dass sich "Stuttgart 21" als richtig und tragfähig erwiesen habe. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) zeigte sich zuversichtlich, dass der Stresstest der Bahn keine Nachbesserungen an der Infrastruktur nötig machen werde. Die Grünen stellten eben das in Frage und verweisen auf das Urteil des Stresstests. So lange, zumindest bis nach der Landtagswahl, solle ein Baustopp gelten.

Damit zeichnet sich ein Dauerkonflikt bis zum Sommer 2011 ab. Nach Angaben der Bahn wird der geplante Stresstest erst Mitte kommenden Jahres abgeschlossen sein. Infrastrukturvorstand Volker Kefer begründete dies damit, dass unter anderem ein Fahrplan konstruiert werden müsse. Bislang habe man die Kapazität von Bahnprojekten nur auf Grundlage der in etwa zu erwartenden Taktfrequenzen berechnet. Es sei nicht üblich, "zehn Jahre, bevor der Fahrplan in Betrieb geht, eine echte Fahrplankonstruktion zu machen". Normalerweise würde man erst darauf warten, was das Land für Fahrpläne haben wolle.

Landesregierung rechnet nicht mit zusätzlichem Gleisbau

Einige Ergebnisse des Stresstests scheinen derweil Ministerpräsident Stefan Mappus und Verkehrsministerin Tanja Gönner (beide CDU) bereits im Vorfeld zu kennen. Zumindest wiesen die beiden Politiker den Vorschlag von Schlichter Heiner Geißler zurück, den Bahnhof zur Entlastung um zwei zusätzliche Gleise zu erweitern. Das sei nicht nötig. Gönner berief sich dabei auch das Schweizer Unternehmen SMA, das den Stresstest durchführen soll. Sollte es limitierende Faktoren für die Leistungsfähigkeit des neuen Bahnhofs geben, wären es die Zulaufstrecken. Gönner rechnete mit "vertretbaren" Mehrkosten in Höhe von 150 bis 170 Millionen Euro. Die von Kritikern des Bahnprojekts genannten 500 Millionen Euro seien nicht zutreffend.

Nach Ansicht von Grünen-Chef Cem Özdemir sollte man die Arbeit vorerst ruhen lassen, da die vorgeschlagenen Nachbesserungen neue Kosten verursachten. Es sei sinnvoll, das Ergebnis der Landtagswahl im März abzuwarten. Der Projektgegner und Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) rechnete hingegen mit teuren Nachbesserungen und einem negativen Ausgang des Stresstests. Sollte die Belastungsprobe jedoch positiv ausfallen, werde er auch ins Grübeln kommen. Ein Ausstieg aus "Stuttgart 21" würde in diesem Fall schwieriger werden, sagte Palmer.

Diskussion über Übernahme möglicher Mehrkosten

Mappus sagte, sollte der Stresstest entgegen seiner Erwartung Mängel an "Stuttgart 21" aufzeigen, müssten sich die Projektträger gemeinsam an einen Tisch sitzen und über die Aufteilung der Mehrkosten beraten. Die Bahn dürfe dies nicht zu 100 Prozent tragen, auch könne es nicht sein, "dass allein Baden-Württemberg auf den Kosten sitzenbleibt". Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ließ die Bereitschaft des Bundes erkennen, mögliche zusätzliche finanzielle Lasten für den Bund zu prüfen.

Auf die Frage, ob er nach dem Schlichterspruch wieder mit verstärkten Protesten rechne, sagte Mappus: "Ich habe nicht erwartet, dass mit dem Ende der Schlichtung kein Demonstrant mehr da ist." Solange die Proteste friedlich blieben, sei es das gute Recht der Gegner, gegen "Stuttgart 21" zu protestieren.

Mehr Bürgerbeteiligung bei Großprojekten angeregt

Als weitere Konsequenz aus der Schlichtung schlug die Landesregierung ein Sieben-Punkte-Programm vor, das mehr Bürgerbeteiligung bei "Stuttgart 21" und bei künftigen Großprojekten befördern soll. Auch Ramsauer sprach sich dafür aus. Betroffene müssten zu Beteiligten werden, um die Akzeptanz von Großvorhaben zu erhöhen. Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) plädierte dafür, die Bürger zukünftig sehr frühzeitig ins Planungsverfahren einzubeziehen. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, sprach sich für eine Verfahrensbeschleunigung aus.

(apd/AFP)
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