Luftabwehrsystem Meads Von der Leyens erstes Milliardenrisiko

Berlin · Nach eineinhalb Jahren im Amt kommt jetzt die Bewährungsprobe für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Das Luftabwehrsystem Meads ist ihr erster großer Waffenkauf. Jetzt kann die CDU-Politikerin beweisen, dass große Rüstungsprojekte funktionieren können.

Bisher musste sich die Ministerin vor allem mit Rüstungsproblemen herumschlagen, die sie von ihren Vorgängern geerbt hat. Zum Beispiel mit der Skandal-Drohne "Euro Hawk", die wegen einer drohenden Kostenexplosion eingemottet wurde. Oder mit dem A400M, dessen Auslieferung sich um vier Jahre verzögerte. Bis heute funktioniert das Transportflugzeug nicht wie vereinbart. Ein Exemplar stürzte kürzlich bei einem Testflug in Spanien ab.

Jetzt hat von der Leyen ihr erstes eigenes Rüstungsprojekt. Es heißt Medium Extended Air Defense System - kurz Meads - und ist ein Luftabwehrsystem mit einem 360-Grad-Radar. Es kann eine Großstadt oder einen Einsatzflughafen vor Angriffen mit Flugzeugen, Kampfdrohnen oder Raketen schützen.

Meads hat bereits eine elfjährige, sehr wechselhafte Geschichte hinter sich. Ursprünglich war es das Vorzeigeprojekt transatlantischer Rüstungskooperation. Deutschland, Italien, Frankreich und die USA starteten 2004 die Entwicklung eines neuen Luftabwehrsystems, das bisherige Systeme wie "Patriot" qualitativ weit hinter sich lassen sollte. Frankreich stieg frühzeitig aus.

Aus Deutschland beteiligte sich MDBA aus der kleinen bayerischen Gemeinde Schrobenhausen, aus den USA Lockheed Martin. 2011 kam dann der Schock. Die USA entschieden sich, Meads nicht für ihre eigenen Streitkräfte zu verwenden. Die Entwicklung lief aber weiter und wurde auch weiter aus Washington finanziert.

Vier Milliarden Euro hat das Projekt bereits gekostet, eine Milliarde davon stammt aus Deutschland. Der erste Testschuss ist erfolgt. Bis zur Einsatzfähigkeit wird es aber noch Jahre dauern.

Meads wird das teuerste Rüstungsprojekt der nächsten Jahre sein. Kein Wunder, dass die Lobbyisten von MDBA und dem US-Unternehmen Raytheon, das die "Patriots" produziert, sich in den vergangenen Monaten einen beispiellosen Wettbewerb um den lukrativen Auftrag geliefert haben.
Selbst Bundestagsabgeordnete wurden so intensiv bearbeitet, "als ginge es um den Verkauf von Rheuma-Decken bei einer Kaffeefahrt", wie einer berichtete.

Von Raytheon stammt das aktuelle Luftabwehrsystem der Bundeswehr "Patriot". Es ist derzeit an der türkischen Grenze zu Syrien zum Schutz des Nato-Partners Türkei im Einsatz.

Raytheon hat dem Verteidigungsministerium eine modernere "Patriot"-Version angeboten. Auch die hätte aber erst einmal neu entwickelt werden müssen. Das Risiko, dass dabei etwas schief geht, wäre wohl nicht viel geringer gewesen als bei Meads.

Bei einer Entscheidung für "Patriot" hätte von der Leyen dem deutschen Steuerzahler vor allem die Investition einer Milliarde Euro in ein System erklären müssen, das dann nicht genutzt wird.

Das wäre weit mehr verschleudertes Geld gewesen als bei der "Euro Hawk"-Pleite. In die Aufklärungsdrohne flossen bis zum Stopp des Projekts etwa 600 Millionen Euro.

Meads ist daher politisch die einfachere Entscheidung für von der Leyen. Das Risiko von Verzögerungen, Kostenexplosionen und Qualitätsmängeln soll durch Vertragsklauseln minimiert werden. Das Ministerium hat seit ihrem Amtsantritt verstärkt Juristen und Betriebswirte eingestellt. Man will den Rüstungsherstellern auf Augenhöhe begegnen.

Die Ministerin und die von ihr berufene Staatssekretärin Katrin Suder haben intern die Parole ausgegeben "dass die Rüstungsindustrie weder unser Freund noch unser Feind ist". Das soll heißen: Die ehemals so große Nähe zwischen Auftraggeber und einigen Herstellern, die nicht nur der Opposition aufgestoßen war, darf es künftig nicht mehr geben.

"Wir haben uns Zeit gelassen dafür", sagt von der Leyen, als sie die Entscheidung für Meads erklärt. Ihr sei es enorm wichtig gewesen, mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen, damit man diese "schnell aus dem Weg räumen kann".

Dass von der Leyen viel Talent im "aus dem Weg räumen" hat, wissen einige ihrer Parteikollegen schon. Was ihr in dieser karrieretechnisch so entscheidenden Phase zusätzlich hilft, ist Staatssekretärin Suder, die bei Presseterminen der Ministerin höchstens diskret am Rand steht. Die ehemalige Unternehmensberaterin sei "ein Glücksgriff für unser Haus", heißt es aus dem Ministerium. Dieses Lob hört man allerdings meist nur hinter vorgehaltener Hand. Denn glänzen soll vor allem die Frau, die vor der Kamera steht.

(dpa)
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