Massive Kritik an Talk-Besetzung MDR sagt Podiumsdiskussion in Chemnitz mit Neonazi komplett ab

Chemnitz · Nach der Absage eines geplanten MDR-Podiums durch die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) zieht der Sender jetzt die Notbremse und bläst die geplante Diskussion mit Beteiligung eines Neonazis ab.

 eilnehmer der Demonstration von AfD und dem ausländerfeindlichen Bündnis Pegida, waren im vergangenen Jahr in Chemnitz unterwegs.

eilnehmer der Demonstration von AfD und dem ausländerfeindlichen Bündnis Pegida, waren im vergangenen Jahr in Chemnitz unterwegs.

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Stattdessen kündigte der MDR jetzt für den 22. August in Chemnitz einen Publikumsdialog zur Preview der Doku „Chemnitz - Ein Jahr danach“ an. Die Gesprächsrunde biete Gelegenheit, mit Filmemachern und Programmverantwortlichen über den Film zu diskutieren, teilte der MDR am Donnerstag in Leipzig mit.

Ursprünglich hatte er zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, an dem auch Arthur Österle, bekennender Neonazi und AfD-Mitglied, teilnehmen sollte. Als weitere Gäste waren Oberbürgermeisterin Ludwig, die Chemnitzer Professorin für Informationstechnik, Olfa Kanoun, der MDR-Programmdirektor Wolf-Dieter Jacobi sowie Margarete Rödel von der Grünen Jugend angekündigt. Daraufhin hatte es heftige Kritik in den sozialen Netzwerken gegeben. Zuerst hatte Rödel ihre Teilnahme abgesagt.

Aus Sicht des Senders sei die „gewollte Konstellation nicht mehr sinnvoll umzusetzen“, hieß es nun zur Begründung der Absage des MDR. „Wir haben natürlich die kontroverse Debatte um die Besetzung des Podiums verfolgt und auch als wichtige Diskussion wahrgenommen“, erklärte Jacobi. Zugleich betonte er: „Wir bedauern die Absagen sehr, da wir gern den breiten Dialog geführt hätten.“

Die Dokumentation „Chemnitz - Ein Jahr danach“ geht nach Angaben des MDR der Frage nach, „wie sich das Leben für die Menschen in der Stadt nach den umstrittenen Vorfällen und der Medienberichterstattung Ende August 2018 verändert hat“. Der Film lasse Menschen aus verschiedensten Lebenswelten zu Wort kommen und zeige deren Alltag, hieß es.

Die Oberbürgermeisterin sei nicht davon ausgegangen, dass der MDR sie auf ein Podium platziert, an dem ein Neonazi teilnimmt, sagte der Chemnitzer Stadtsprecher Matthias Nowak. Insofern habe ihre Zusage unter anderen Voraussetzungen gestanden. Die SPD-Politikerin halte es für falsch, Österle ein Podium zu bieten.

„Mit einem bekannten Neonazi setzt man sich nicht aufs Podium“, betonte Nowak, „da ist eine rote Linie überschritten.“ Österle war vom MDR als AfD-Mitglied und Chefordner bei den von „Pro Chemnitz“ organisierten Demonstrationen vor einem Jahr angekündigt worden.

In Chemnitz war am 26. August 2018 am Rande des Stadtfestes ein 35 Jahre alter Mann im Streit erstochen worden. Der tödliche Vorfall löste eine Reihe ausländerfeindlicher Proteste in der Stadt aus, die bundesweit für Aufsehen sorgten. Zudem führte die politische Bewertung der Proteste zu einer Krise in der Bundesregierung und zur Versetzung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen in den einstweiligen Ruhestand.

Kritik an der geplanten Veranstaltung des MDR kam auch vom Internationalen Auschwitz Komitee. Überlebende des Holocaust in vielen Ländern hätten „die martialischen Aufmärsche rechtsextremer Gruppen im vergangenen Jahr in Chemnitz mit Entsetzen verfolgt“, erklärte der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, in Berlin. Es sei für sie „bedrückend zu beobachten, wie diese Gruppen den Mord an einem Chemnitzer Bürger für ihre Zwecke missbraucht und weit über Chemnitz hinaus Hass gegen Andersdenkende gesät haben“.

Der MDR habe über diese Ereignisse und die Aktivitäten der rechtsextremen Szene objektiv berichtet, erklärte Heubner weiter. Dass jetzt - ein Jahr nach diesen Geschehnissen - „der MDR von allen guten Geistern verlassen ist, und einem bekannten Aktivisten der Chemnitzer Neonaziszene noch ein Forum bieten will“, sei „empörend naiv und politisch blind“.

ost

(mja/epd)
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