Regierungsbildung in Deutschland Europäer wünschen die Groko

Berlin · SPD-Chef Martin Schulz berichtet von Drängen aus Frankreich und Griechenland auf eine Koalition mit der Union. EU-Kommissar Oettinger ebenso. Die Frage ist, ob das die Kritiker beeindruckt.

 Krisengespräche nach dem Jamaika-Aus. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit den Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD). (Archiv)

Krisengespräche nach dem Jamaika-Aus. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit den Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD). (Archiv)

Foto: rtr, PK/

Diese Zeilen sind eine ganz besondere Botschaft an die Zweifler in der SPD. Sie sollen Mut machen zu einer Neuauflage der großen Koalition unter Angela Merkel und die Angst vor weiterem Schaden für die Sozialdemokratie nehmen. Und sie stammen von einem Mann, der es wissen muss. Alexis Tsipras, griechischer Ministerpräsident, der im Juli 2015, in einer gnadenlosen 17 Stunden dauernden Verhandlungsnacht in Brüssel zu gravierenden Reformen gedrängt wurde, um sein Land in der Eurozone zu halten. Der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sogar mit Ausschluss gedroht, die Kanzlerin fuhr einen weicheren Kurs, aber beide waren für Tsipras die härtesten EU-Partner, um nicht Gegner zu sagen, in jener Nacht in Brüssel. Und nun schreibt Tsipras, der Chef der sozialistischen Syriza, an den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz: "Vergiss nicht, dass eine wahrhaft linke und fortschrittliche Position nicht darin besteht, die eigene Identität möglichst sauberzuhalten." Vielmehr müsse man für wirkliche Veränderungen und Reformen kämpfen. "Ich bin sicher, Du wirst die richtige Entscheidung treffen.

"Wir haben viele Optionen"

Schulz hat diese Botschaft über die "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" unters Volk gebracht. Sie ist wichtig für ihn, wenn er heute mit seinem Parteivorstand eine Empfehlung für den Parteitag in dieser Woche abgibt. Am Freitag hatte er noch gesagt: "Es gibt keinen Automatismus für eine große Koalition". Und: "Wir haben viele Optionen". Dennoch wird damit gerechnet, dass der frühere Präsident des Europäischen Parlaments den Genossen die Aufnahme von Sondierungen mit CDU und CSU empfehlen wird. Auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron habe ihn aufgerufen, er möge mit den deutschen Sozialdemokraten europäische Reformen in einer Bundesregierung vorantreiben.

Macron braucht dringend die Unterstützung aus Berlin, die traditionell bewährte und historisch so wichtige deutsch-französische Achse für seine Reformpläne für Europa. Merkel gilt auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs als seine wichtigste Verbündete, auch wenn sie sich wahrlich nicht für alle seine Ideen begeistern kann, wie etwa für einen gemeinsamen EU-Finanzminister oder ein Eurozonen-Budgets für Investitionen und für angeschlagene Eurostaaten. Alles, was in Richtung Vergemeinschaftung von Schulden geht, will die Union unbedingt verhindern. Das haben CDU-Politiker den Steuerzahlern versprochen. Aber für die SPD ist die Solidarität mit schwächeren Eurozonen-Mitgliedsländern eine wichtige Komponente.

Macron mochte Lindner nicht

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte sich noch in seiner Zeit als Wirtschaftsminister mit Macron, der einmal sein Amtskollege war, für einen Investitionsfonds für die Eurozone ausgesprochen. Mit der FDP in einer Jamaika-Koalition wäre das alles gar nicht erst zur Verhandlungsmasse mit Frankreich gekommen. Macron verband mit FDP-Chef Christian Linder deshalb auch eine gehörige Ablehnung. Um so mehr setzt er nun auf die SPD.

Auch EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) sagt unserer Redaktion: "In Brüssel, in der EU-Kommission, in Mitgliedsländern hören wir, dass in Deutschland möglichst schnell eine stabile und handlungsfähige Regierung gebildet werden müsse, die proeuropäisch ausgerichtet ist." Die Fortsetzung der großen Koalition sei die einzige verbliebene Möglichkeit, das zu erfüllen, wenn man eine Neuwahl vermeiden möchte. Auf die SPD sollte jetzt aber kein Zeitdruck ausgeübt werden. Die Verhandlungen würden ohnehin erst im Januar beginnen, und über das Ergebnis lasse die SPD ihre Mitglieder abstimmen.

#NoGroko

Es sei aber nicht kritisch, wenn eine schwarz-rote Regierung erst in einigen Monaten stünde. "Denn dadurch, dass jene Parteien verhandeln würden, die parallel auch die geschäftsführende Regierung stellen und schon in den vergangenen vier Jahren gemeinsam eine proeuropäische Politik gemacht haben, wird bereits Vertrauen und Stabilität in Europa erzeugt."

Ob das die kritischen SPD-Mitglieder überzeugen wird, bleibt fraglich. Die Jusos haben für ihre am Freitag gestartete Petition #NoGroko bereits rund 10 000 Unterstützer gefunden. Und Vertreter des Arbeitnehmerflügels in den ostdeutschen Landesverbänden der SPD sprachen sich auch schon am Wochenende gegen eine Neuauflage der großen Koalition aus.

(kd)
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