Seehofer geht, Söder kommt Die CSU ist des Kämpfens müde

Mit einem eher schwachen Ergebnis wird Markus Söder zum neuen Parteichef der CSU gewählt. Sein Vorgänger Horst Seehofer tritt mit Wehmut ab. Die neue CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer wird mit Küsschen begrüßt.

Euphorie sieht anders aus. Der scheidende CSU-Chef zieht mit spärlichem Applaus in die Kleine Olympiahalle in München ein. Ein einziges Schild geht hoch - „Danke Horst“ steht darauf. Seehofer, der 2013 die absolute Mehrheit für die CSU zurückerobert hat, hätte einen herzlicheren Abschied bekommen können. Mehr Wehmut, mehr Jubel, mehr Dank. Hätte. Nun fällt der Abschied nüchtern aus.

Zwischen seinem großen Triumph und seinem Abgang als Parteichef liegen auch die drei zermürbenden Jahre Auseinandersetzung mit Kanzlerin Angela Merkel über die Flüchtlingspolitik und harte innerparteiliche Kämpfe mit dem Mann, der ihn nun doch in den beiden Ämtern beerbt, die für ihn die wichtigsten seines Lebens waren: Ministerpräsident von Bayern ist Markus Söder bereits seit März 2018. Zum CSU Chef wird er an diesem Samstag mit 87,42 Prozent gewählt. Gut ist das nicht. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die als „Ehrengast“ ihre Aufwartung macht, nennt es ein „sehr, sehr ehrliches Ergebnis“.

In Seehofers Rede schwingt die Wehmut mit, die ihm seine Partei verwehrt. 3739 Tage sei er im Amt gewesen. Wer eine solche Zahl zum Abschied errechnet, dem war jeder Tag wichtig. Das Amt sei ein „großes Geschenk“, sein „Lebenstraum“ gewesen, sagt Seehofer, dem nun nur noch das Amt des Innenministers am Kabinettstisch von Merkel bleibt. Viel Raum für Selbstkritik gibt der scheidende Parteichef nicht. Es schwingt eher Bitterkeit mit, wenn er den „nicht schönen“ Spagat beschreibt, in dem er zwischen Berlin und Bayern in der Flüchtlingsfrage habe stehen müssen.

Seehofer sagt auch, er habe vieles hingenommen, vieles geschluckt. Da geht einer, der zwar sein „glühendes Herz“ für die CSU beschreibt, aber am Ende nicht mit sich im Reinen ist. Und dann schlägt noch einmal sein Schalk durch. Er referiert sein Horoskop, in dem es für den Tag seines Abschieds geheißen habe: „Sie verlieren keinesfalls ihr Gesicht, wenn sie eine bereits getroffene Entscheidung revidieren.“ Lachen im Saal. Manch einer hält die Luft an. Der wird doch nicht? „Vor zehn Jahren hätte ich das als Auftrag empfunden. Heute fehlt mir die Risikobereitschaft“, beruhigt er seine Parteifreunde. Aber beim Horst weiß man ja nie, sagen sie in der CSU. Da wundert es nicht, dass Markus Söder seinen Vorgänger, Rivalen und Kritiker schnell per offener Wahl zum Ehrenvorsitzenden macht. Wer einmal das Wort Ehre im Titel führt, kann nicht zurück in den Ring. Dass die CSU sich ihren alten Parteichef eigentlich aufs Altenteil wünscht, zeigt auch das Abschiedsgeschenk: Die CSU-Landeszentrale in Miniature als neues Schmuckstück für seine geliebte Modelleisenbahn-Anlage.

Zu spüren ist bei diesem Parteitag, dass die CSU des Kämpfens müde ist und ihre politische Zukunft wieder mehr im Ausgleich, in Sach- und Werteorientierung und in einer nicht-populistischen Politik sieht. In seiner Bewerbungsrede gelobt Markus Söder „Weitsicht“ und „Besonnenheit“. Nicht nur wegen der Europawahl verweisen Seehofer und Söder auf den gemeinsamen Spitzenkandidaten der Union für die Europawahl, CSU-Vizechef und EVP-Fraktionsvorsitzender Manfred Weber. Sie wollen zurück zu einem gemäßigten Mitte-Kurs, wie ihn Weber schon immer vertreten hat. Dieser mahnt ein wertebasiertes Europa an, das handlungsfähiger werden müsse in der globalisierten Welt.

Vergleicht man Söders Sprüche aus dem Sommer 2018 mit den ausgleichenden Worten des Söders, der nun zum neuen CSU-Parteichef gewählt wurde, ist schwer nachvollziehbar, dass diese Aussagen von einem Mann binnen eines Jahres kommen. „Wir wollen Profil mit Stil“, sagt er heute und dass die CSU die geistigen Debatten prägen müsse, nicht nur die an den Stammtischen. Er erinnert an die Wurzeln der CSU aus christlicher, sozialer, konservativer und liberaler Tradition. Diese Rede könnte auch Merkel unterschreiben. Wer der echte Söder ist, wird sich noch erweisen. Klare Kante zeigt er gegen AfD und Grüne. Diese Passagen seiner Rede bleiben die einzigen, bei denen richtig Stimmung im Saal aufkommt und er kräftigen Applaus erhält. Ansonsten bleiben die Delegierten dem neuen Parteichef gegenüber reserviert.

Mit Musik, Herzlichkeit und vielen Küsschen wird Kramp-Karrenbauer emfpangen. Sie lobt Seehofer, dankt ihm, setzt Lacher und Pointen mit Öko-Kritik und der Warnung vor kultureller Selbsverzwergung. Am Ende fordert sie die Schwesterparteien auf, an einem Strang zu ziehen. Sie sagt: „Lieber Markus, dafür reiche ich dir die Hand. Wir werden stärker, als wir waren.“

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