Markus Söder Der Inszenator aus Mittelfranken

Nürnberg · In der Flüchtlingspolitik gibt Bayerns CSU-Minister Markus Söder den Scharfmacher. Die Basis liebt ihn dafür. Am Freitag ist Parteitag.

 Markus Söder (CDU) weißt, wie man sich ins rechte Licht rückt.

Markus Söder (CDU) weißt, wie man sich ins rechte Licht rückt.

Foto: dpa, lmb fux sja

140 Zeichen hat eine Kurznachricht bei Twitter. Markus Söder braucht gerade mal 94, um eine Empörungswelle auszulösen: "#ParisAttacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen", schrieb der bayerische Finanzminister von der CSU bei dem Internet-Nachrichtendienst nur zwölf Stunden nach den Terroranschlägen in Paris und verknüpfte die Flüchtlingspolitik mit der Terrorismusbekämpfung.

Die Empörung ist groß. Politiker von SPD, Grünen und Linken, aber auch von der CDU und der eigenen Partei schimpfen. In der Sitzung des Parteivorstandes am Montag danach wird Söder, ohne genannt zu werden, heftig von Parteichef Horst Seehofer kritisiert. In einer Resolution des Parteivorstandes wird sogar festgehalten: "Wir dürfen jedoch die Flüchtlingsfrage nicht mit der Terrorbekämpfung unzulässig vermengen." Es ist die öffentliche Zurechtweisung Söders. Schwarz auf weiß.

Liebe zur Provokation

Aber was macht das schon? Söder liebt die Provokation. Sie ist bei ihm mit einem Kalkül verbunden: Aufmerksamkeit. Aus der CSU wurden am vergangenen Wochenende nur zwei Politiker zitiert: Seehofer und Söder. In dieser Liga sieht er sich. Jede Kritik an ihm macht die Bühne noch größer.

Die PR-Maschine Söder funktioniert. Dauerpräsenz und gezielte Grenzüberschreitung, das ist das Erfolgsrezept des Mittelfranken. Deshalb mischt er überall, für alle sichtbar, kräftig mit. Auch in der Asylpolitik. Söder verschafft sich so ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich mit Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die neben Söder als aussichtsreichste Kandidatin der CSU für die Seehofer-Nachfolge gilt. Auch Aigner versucht, sich in der Asylpolitik ein Profil zuzulegen. Söder war nur schon früher da.

Sein ihm zugewiesenes Wirkungsgebiet ist eigentlich das Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat. Akzeptieren will der 48-jährige Jurist das aber nicht, er taucht regelmäßig auf der bundespolitischen Bühne auf, sagt zu allem etwas. In der Hauptstadt sind die Kollegen entsprechend genervt. Als im Sommer die Griechenland-Krise abflaute, fing Söder bereits an, sich ein Profil in der Flüchtlingspolitik zu geben. Als Hardliner.

Immer wieder stellt er das individuelle Recht auf Asyl infrage. Einmal nennt er das Asylrecht nicht vereinbar mit dem europäischen. Ein anderes Mal bezeichnet er die Abschaffung des Paragrafen als letzten Ausweg. Das geht sogar Seehofer zu weit, der am Grundrecht auf Asyl nicht rütteln und keine Zäune in Europa will. Söder spekuliert hingegen munter über Zäune an der Grenze. Immer wieder spricht er davon, dass die Zuwanderung die kulturelle Statik in Deutschland verändern würde. "Schämen Sie sich!", wird aus dem linken Lager gerufen, wenn Söder mal wieder bei Twitter, Facebook oder im Fernsehen vorprescht.

Söder beruft sich gerne auf die Statistik. In diesem Jahr würden mehr Zuwanderer nach Deutschland kommen, als Kinder hier geboren würden. Es gibt allerdings derzeit weder valide Zahlen über die tatsächliche Zuwanderung noch über die Geburtenzahl. Zum anderen: Nimmt man die gesamte Zuwanderung nach Deutschland, trifft das auch auf 2013 zu. Laut Migrationsbericht der Bundesregierung waren 2013 rund 1,2 Millionen nach Deutschland gekommen, 682.000 Kinder wurden im selben Zeitraum geboren. Söder vermischt den aktuellen Flüchtlingsstrom mit einer länger bekannten Entwicklung.

Immer ein bisschen lauter als die anderen

Der 48-jährige ist omnipräsent, auch weil er griffig formuliert, zuspitzt und fernsehtauglich ist. Journalisten rufen ihn gerne an. "In meinem Terminkalender ist nicht genug Platz, um all die Terminwünsche zu erfüllen, die an mich herangetragen werden", prahlt er.

Je mehr Söder macht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er dort ist, wo seine Konkurrenz nicht ist. Allen voran Ilse Aigner. Söder muss immer ein bisschen lauter sein, ein bisschen weiter gehen als alle anderen. Es soll ja rüberkommen: Das kommt von Söder - und nicht von irgendeinem beliebigen CSUler.

"Strauß hat immer gesagt: Man muss Alternative sein und nicht Variante", zitiert Söder sein größtes politisches Vorbild, den er als junger Mann "einfach cool" fand und der als Poster im Zimmer hing. Eigentlich sagt Söder "Variande", nicht Variante. Das Fränkische, seinen Dialekt, hat er sich nie abtrainiert. Die Heimat, der Norden Bayerns, ist Teil seiner Identität, und es ist auch einer der offensichtlichen Unterschiede zu den Oberbayern Horst Seehofer und Ilse Aigner. Einfach hatten es die Franken nie in der CSU. Und wenn sich einer mal durchgesetzt hat, wie Günther Beckstein, war es nur von kurzer Dauer.

Die mächtigsten Positionen sind von Altbayern besetzt: Horst Seehofer und Gerda Hasselfeldt, Chefin der Landesgruppe in Berlin. Söder agiert, als wolle er beweisen, dass einer wie er - Franke und auch noch Protestant - bei den Christsozialen ganz an die Spitze kommen kann. Er ist in Nürnberg geboren, wuchs in der Weststadt als Kind eines Maurermeisters auf. "Derham" - also daheim nennt Söder Nürnberg. Abitur, Jurastudium. Der Vater bringt dem Sohn früh bei: "Leistung zahlt sich aus. Sei fleißig und ruh' dich nicht auf Lorbeeren aus." Das hat Söder nie gemacht.

Das Arbeiterkind nennt sich heute Dr. jur. Mit 16 Jahren tritt Söder in die CSU ein. In dem Jahr, in dem Strauß als bayerischer Ministerpräsident den Milliardenkredit für die DDR einfädelt. 32 Jahre später sieht Söder sich in einer politischen Linie mit Strauß. Und orientiert sich an dessen Selbstbewusstsein. Wenn Söder sich selbst beschreiben soll, fallen ihm viele positive Eigenschaften ein. Wenn er irgendwo auftritt, unterstreicht er seine Präsenz durch entsprechende Körperhaltung. Lässt es eine Sitzgelegenheit zu, breitet er sich auf anderthalb Plätzen aus, signalisiert: Ich bin da. Reifer sei er über die Jahre geworden, synchron mit sich selbst. Das Bild des schrillen Generalsekretärs, der er einst war, will er loswerden.

Und was sagt die Partei? "Söder hat Machtanspruch und einen politischen Kopf. Aber will man so jemanden als Ministerpräsidenten?", fragt einer aus dem Umfeld des CSU-Chefs. Seehofer selbst hat ihm mal "Schmutzeleien" bei der Verfolgung der eigenen Ziele vorgeworfen. Andere sehen eine "intrigante Energie".

Söder weiß, dass das Establishment nicht zu seinem Fanclub gehört. "Die Parteioberen hatten immer andere Favoriten. Aber ich bin immer sehr stark durch die Basis gewählt worden", sagt er. Deshalb auch die vielen Bierzelt- und Talkshowauftritte. Die Basis schätzt Söder. Auch und gerade in der Flüchtlingspolitik. An diesem Wochenende, auf dem CSU-Parteitag in München, dürfte das wieder zu beobachten sein.

(RP)
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