Rezo-Debatte bei Markus Lanz „Herr Spahn, jetzt mal ernsthaft“

Hamburg · Wie geht man mit der jungen Generation um, die den Groko-Parteien bei der Europawahl mehrheitlich einen Korb und den Grünen ihre Stimme gab? Und was ist der beste Umgang mit dem Rezo-Video? Diesen Fragen stellte sich Jens Spahn bei Markus Lanz.

 Markus Lanz mit Jens Spahn. Manfred Lütz, Frauke Bagusche und Kristina Dunz.

Markus Lanz mit Jens Spahn. Manfred Lütz, Frauke Bagusche und Kristina Dunz.

Foto: ZDF/Markus Hertrich

Noch immer ist der politische Betrieb in Berlin geprägt vom Rezo-Video. Fast zwei Wochen ist es her, dass der Youtuber sein Video „Die Zerstörung der CDU“ veröffentlichte. Eine Europawahl, eine Bremenwahl und zehn Millionen Aufrufe später, scheint das Thema erst recht an Fahrt aufzunehmen.

Am Donnerstagabend diskutierte Markus Lanz in seinem ZDF-Talk mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), RP-Journalistin Kristina Dunz, dem Psychiater Manfred Lütz und der Meeresbiologin Frauke Bagusche.

Zu Beginn stellte Spahn klar: „Dass das Ding nicht optimal gelaufen ist, ist offenkundig.“ Dann ging er allerdings in den Angriff über: „Es ist ein bisschen wohlfeil, dass es jetzt im Nachhinein alle besser wissen.“

Dann legte Lanz mit seinen bekannt unbequemen Fragen los, entlockte dem Minister, wie viel er sich vom Video denn überhaupt angesehen habe. „Ich habe 20 Minütchen hin- und hergescrollt“, sagte Spahn, um dann darauf zu verweisen, dass sich die Kommunikation im Zeitalter von Youtube, Instagram und Facebook massiv verändert habe.

Die Tatsache mit den „20 Minütchen“ griff Lanz dann auf. Ob er dann überhaupt wisse, worum es in dem Video gehe? „Es geht offenkundig um Defizite, die dort benannt werden. Rezo hat Recht, dass wir mehr Tempo machen müssen, etwa beim Klima“, antwortete Spahn. „Es ist die Frage, wie man reagiert, damit man auch die Zielgruppe erreicht.“ Mindestens so spannend sei die Debatte um die Verantwortung, wie man die Dinge darstelle. Das sei schon eine andere, als wenn man am Stammtisch mit acht Leuten Meinung machen würde, sagt Spahn: „Das ist Meinungsmache, das ist Meinungsdarstellung, als solche muss man sie dann auch einordnen.“

Daraufhin entwickelte sich folgender Dialog:

Spahn: „Haben Sie denn die ganze Stunde geschaut?“

Lanz: „Ja, ich nehme das ja auch ernst. Was Rezo da macht, ist ja etwas ganz Grundsätzliches. Der hat eine Botschaft, die heißt: Passt mal auf, wir haben hier ein Thema beim Klima. 2018 hatten wir die höchsten CO2-Emissionen aller Zeiten, wir reden seit 30 Jahren über Klimaschutz.

Spahn: „Wir machen auch seit 30 Jahren Klimaschutz. Wir steigen gleichzeitig aus der Kern- und der Kohleenergie aus. So zu tun, als ob 30 Jahre nichts passiert ist, ist ein falscher Eindruck, den wir offensichtlich noch besser rausstellen müssen.“

Lanz: „Herr Spahn, jetzt mal ernsthaft, wir können das doch nicht wegreden.“

Spahn: „Ich rede doch gar nichts weg“.

Dass vor allem die großen Parteien ein Problem mit der jungen Generation haben, attestierte auch der Psychiater Manfred Lütz. „Ich war schon ein bisschen geschockt, dass die traditionelle Politik überhaupt nicht geantwortet hat. Man hat sich zunächst mal eingebunkert. Ich finde manchmal eine unmittelbare Reaktion besser, als wenn man sorgfältig ein Papier erstellt, wo man Punkt für Punkt die Dinge erläutert. Ich erwarte von der Politik, dass sie hochprofessionell auf so etwas reagiert.“

Wie Lanz denn auf das Video reagiert hätte, wollte Spahn dann noch vom Gastgeber wissen. Und dieser lieferte ihm eine glasklare Antwort: „Ich hätte mir dieses Ding genommen, ich hätte mir mehr als 20 Minuten Zeit genommen, 55 Minuten insgesamt. Ich hätte ein Video aufgenommen, und jeden einzelnen Punkt entkräftet. Und in den ersten zehn Minuten hätte ich gesagt: Da, da und da hast du recht.“ Spahn: „Aber das ist ja das, was ich sage.“

In der Debatte um Rezo sorgte auch der Kommentar von Kristina Dunz, die stellvertretende Leiterin des Parlamentsbüros unserer Redaktion in Berlin, für Furore. Sie hatte sich in ihrem Kommentar der Sprache, die in dem Video benutzt wird, gewidmet. Bei Lanz sagte sie nun, dass es genau die Formulierungen waren, die sie dazu bewogen hätten, eine Antwort zu geben. „Es könnte auch die Zerstörung der Linken geheißen haben. Es kann nicht eine Partei monokausal für die Zerstörung der Welt verantwortlich sein“, sagte Dunz. „Alleine von den 400.000 Mitgliedern kann man davon ausgehen, dass sie nicht das Leben ihrer Enkel zerstören. Ich habe das Video sehr ernst genommen. Die CDU ist eine Volkspartei, die schwer unter Druck steht. Seit Jahren schreiben wir über den Klimawandel, seit Jahren schreiben wir, dass die Grünen beim Umweltschutz am stärksten sind. Und jetzt kommt ein Video, bei dem wir uns denken: So schlimm ist das mit dem Klimaschutz. Wenn die Mehrheit Youtube-Videos als Informationsgrundlage sieht, dann wird mir etwas bange.“

Aber wie sei denn die Herangehensweise der Politik, um mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen, wollte Lanz wissen. Für Spahn ist das offensichtlich einfach: „Naja, ich mache das mit jungen Leuten so, wie ich es mit älteren und allen mache. Gerade habe ich mit einer Sechsjährigen in einer Kinderarztpraxis über Termine gesprochen, ich rede mit einem 17-Jährigen über Klimafragen und rede mit einem 60-Jährigen über Pflegefragen. Ich versuche, dass wir gegenseitig zuhören und aufeinander eingehen. Und da muss man im Zweifel auch mal dem anderen unterstellen, dass er recht haben kann.“

(mja)
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